Das Selbe. Oder der Satz der Identität bei Fichte und Heidegger

1. »Im Anfang war die Tat!«. Einige Bemerkungen über den Ursprung der Wissenschaftslehre 1794

Es gibt einen Satz am Ende des dritten Abschnittes der Grundsätze der gesammten Wissenschaftslehre, der unserer Meinung nach, ein wichtiges Zeichen bezüglich der Bedeutung und der historischen Reichweite des Fichteschen Nachdenkens anbietet; dieser Satz lautet folgenderweise:

Es würde sich schlechterdings nicht erklären lassen, wie jemals ein Denker entweder über das Ich habe hinausgehen können, oder wie er, nachdem er einmal darüber hinausgegangen, irgendwo habe stille stehen können, wenn wir nicht ein praktisches Datum als vollkommenen Erklärungsgrund dieser Erscheinung anträfen.1

Der Satz drückt sowohl ein geschichtliches Merkmal, in dem Sinne des Verhältnisses zwischen der Überlegung Fichtes und den anderen philosophischen Systemen der deutschen Aufklärung, als auch eine Erklärung der Grundbedeutung der Fichteschen Philosophie aus. Diese Überlegung, die sich in dem praktischen und theoretischen Bereich bewegt, tritt sowohl in den moralischen und politischen Schriften, als auch während der verschiedenen Abfassungen der Wissenschaftslehre auf.

In einem wichtigen Brief von 1795 schreibt daher Fichte, dass sein System das erste System der Freiheit ist: sowie Frankreich den Menschen von den Ketten der Ungerichtigkeit befreit, so befreit diese Philosophie den Menschen von den Fesseln des »Ding-an-sich« (als Nachfolge des Kantischen Kritizismus), und zeichnet ihn zugleich als unabhängig aus. Ohne Zweifel haben Fichtes Zeitgenossen den Zweck dieser philosophischen Überlegung auf derselben Art aufgefasst; ein Satz von Friedrich Schlegel ist daher sehr bekannt:

Französische Revolution, Fichtes Wissenschaftslehre und Goethes Meister sind die größten Tendenzen des Zeitalters.

Im Gegenteil nahmen ebensosehr viele Denker dieser philosophischen Vorschlag nicht an; andererseits können wir die Philosophie Fichte im Ganzen durch den Satz Schlegels besser umrahmen: wie schon viele Forscher betont haben, wollte Fichte der Kritizismus Kants mit dem Einheitsdrang der Frühromantiker verbinden. Gleichzeitig bedeutet das, dass Fichte versuchen musste, die zwingend Dualismen der Philosophie Immanuel Kants zu überwinden. Sie waren überhaupt drei: A) zuerst, der Dualismus zwischen Denken und Handeln oder, besser gesagt, zwischen der reinen und der praktischen Vernunft, in dem Sinne, dass bei Fichte die Erste ganz unter die Zweite subsumiert wird; B) die Zweiheit zwischen Mensch und Gott, insofern die Wirklichkeit des kategorischen Imperativs den moralischen Menschen zur Annahme von Gott als einem persönlichen Gegenüber drängt; C) am Ende, obwohl dieser Punkt ebenso wichtig wie die anderen ist, steht die Annahme der obengenannten Dinge an sich, die von Einigen als unnötig und inkonsequent kritisiert wurden. In Wahrheit sieht Fichte die Erfahrungswelt ganz und gar als Produkt unserer Wahrnehmung, ohne jede reproduktive Dimension, die nun als ein bloßer Überrest des Dogmatismus urteilt wird. Eine solche Weigerung des Begriffes des »Ding-an-sich« ist entscheidend; deshalb werden wir sie versuchen zu erklären. Der obengenannte Satz von Fichte, den wir am Anfang zitiert haben, betrifft gerade die Dinge an sich, weil, wie der Autor selbst in dem ersten Teil der Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794/95) oftmals wiederholt, diejenige Philosophie die dem Ich an sich etwas gleich und entgegensetzt durch den Begriff der Dingen (d. h. Ens) entgegenstellt, dogmatisch ist. Andererseits besteht das Wesen der kritischen Philosophie, dass ein absolutes Ich als schlechthin unbedingt und durch nicht Höheres bestimmbar aufgestellt wird; wir können eine solche Philosophie als »Wissenschaftslehre« nennen, wenn sie eigentlich aus diesem Grundsatze konsequent folgert. Der Begriff des absoluten Ich, und demnach derjenige der Dinge an sich, sind deswegen die wichtigsten Koordinaten, um ein philosophisches System als Kritik oder Dogmatisch zu definieren; trotzdem möchten wir wissen, inwiefern das Ich ein Grenzwert sei, und wie kann man zur Bestimmung dieses Grundsatzes der Wissenschaftslehre gelangen?

Es wäre jedoch besser, das Verhältnis zwischen der Fichteschen Überlegung und den anderen philosophischen Systemen ihrer Zeit zu vertiefen, um die Neuerung der Wissenschaftslehre deutlicher zu verstehen. Gewöhnlich wird der Name Fichtes mit jenem Spinozas vergleicht, obwohl, wie ein einflussreicher Philosoph aus Italien, der Claudio Cesa heißt, gesagt hat, es besser wäre, wenn wir solche Beziehung nicht so sehr betonen würden. Es gibt daher die Gefahr, dass das absolute Ich der Wissenschaftslehre mit Gott als metaphysischer Grund identifiziert wird. In dem Gegenteil zu dieser Auslegung ist Gott bei Fichte, wenigstens was die Früh-Neunzigerjahre betrifft, nur ein moralisches Ens. Der Bezug auf den Spinozismus findet sich aber überhaupt innerhalb der Wissenschaftslehre, wo Fichte oftmals den Autor des Ethica zitiert, um das Beispiel einer schlechthin dogmatischen Philosophie vorzustellen. Wir fragen aber, warum ist das Nachdenken Spinozas dogmatisch? Die Antwort findet sich am Ende des §. 1 des ersten Teiles der Wissenschaftslehre: hier betont Fichte, dass es nur »zwei völlig consequente Systeme giebt«2 nämlich das Kritische, das die Grenze des »Ich bin« anerkennt, und das Spinozische, welches sie überspringt und gleichzeitig unwiderlegbar scheint, weil er in einem Felde sich befindet, auf welches die Vernunft ihm nicht weiter folgen kann. Zum Begriff des »Ich bin« werden wir gelangen, sobald wir der obengenannten Frage über den Grundsatz des Systems Fichtes antworten werden; jetzt wollen wir etwas Anderes unterstreichen: dieselbe Zeit in der Fichte die Philosophie Spinozas als konsequente Art des Dogmatismus nennt, macht er zugleich eine andere wichtige Beziehung: es handelt sich um Kant, Descartes und Reinhold; drei Philosophen, die lediglich teilweise jenes Ergebnis erreicht haben, das man nur durch die Wissenschaftslehre erreichen kann: die Vollendung der Wissenschaft.

In seiner Deduktion der Kategorien hätte Kant auf den Hauptsatz, der danach als der Grundsatz der Wissenschaftslehre bestimmt wurde, gedeutet, obwohl der Philosoph aus Königsberg ihn niemals als Grundsatz seiner Philosophie aufgestellt hat. Vor ihm hat Descartes ausgesagt: »cogito, ergo sum«, wo dieser Satz als unmittelbare Tatsache des Bewusstseins betrachtet haben könnte; in diesem Fall könnte solcher Satz auch lauten: »cogitans sum, ergo sum« (oder, der Auslegung Baggesens nach, »sum, ergo cogito«), insofern der Zusatz »cogitans« völlig überflüssig sei, denn man denkt nicht notwendig, wenn man ist, aber »man ist nothwendig, wenn man denkt«.3 Deswegen bringt Fichte vor, dass das Denken gar nicht das Wesen des Seins ist, sondern es ist nur eine besondere Bestimmung in dem Sinne, dass es noch manche andere Bestimmungen unseres Seins gibt. Gleichzeitig hätte Reinhold denselben Fehler begangen, insofern er den Satz der Vorstellung, der in der Kartesischen Form »repraesento, ergo sum«4 heissen würde, aufgestellt hat. Deshalb geht Reinhold sehr weiter als Descartes, obwohl noch nicht weit genug, um die Wissenschaften aufzustellen; demnach ist auch nicht das Vorstellen das Wesen des Seins, sondern es ist noch einmal eine besondere Bestimmung, obwohl die anderen Bestimmungen unseres Seins »gleich durch das Medium der Vorstellung hindurch gehen müssen, um zu empirischen Bewusstsein zu gelangen«.5 Der Bezug auf Reinhold ist entscheidend, um die Entwicklung der Fichteschen Philosophie zu erklären, die, wie bereits oben angedeutet, sich auf einem ursprünglichen praktischen Bedürfnis beruht.

Deshalb kommt gerade aus der Verwicklung zwischen der anfänglichen Bedeutung dieser Überlegung und den theoretischen Beiträgen sowohl von Reinhold, als auch von Schulze, Maimon und Jacobi, der Fichteschen Entwurf einer Wissenschaftslehre. Es wäre sonst sehr schwierig zu erklären, wie Fichte von einer moralischen Anwendung des Kritizismus, die durch die Schriften 1791-93 scheint, auf die theoretische Entwicklung seines Systems übergegangen ist. Deswegen ist das Verhältnis mit den anderen Ausleger des Denkens Kants schwerwiegend. Noch früher als Fichte hatte daher K. Reinhold versucht, das System des Kritizismus zu verbessern; durch die Briefe über die Philosophie Kants hatte er viele Zustimmungen (auch von Kant) bekommen, obwohl es scheint, dass Fichte zuerst bezüglich des Aufsatzes Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens (1789) und des Buches Über das Fundament des philosophischen Wissens (1791) seine Überlegung entwickelt hat; durch die obengenannten Schriften versucht Reinhold eine Vollendung der Philosophie Kants durch die Zeichnung eines gemeinen Bereiches, nämlich das Bewusstsein, der die Menschen teilen sollten. Trotzdem ist nicht nur das tópos des Bewusstseins das Element, das Fichte innerhalb seines Systems aufnimmt, sondern der Philosoph aus Rammenau setzt bezüglich der Wolff-Leibniz Tradition auch den Begriff der Spontaneität wiederein, den Kant widerlegt hatte, und den Karl Reinhold wählte, um die Beständigkeit zwischen Verstand und Empfindlichkeit zu erklären. Ein großer Unterschied zwischen Reinhold und Fichte scheint aber hinsichtlich des Entwurfs Reinholds einer systematischen Philosophie, die die überlieferten Begriffe des abendländischen Denkens durch vorausgesetzte Grundbedingungen zusammenfassen könnte; andererseits lehnt Reinhold, wegen der Überzeugung bezüglich der Vollendung der philosophischen Kenntnis, den Anspruch der Leibnizschen Tradition einer Gründung der Philosophie von dem Satz der Identität ab. Fichte wird zum Kern dieser Angelegenheit zurück kommen, obwohl andersartig im Vergleich zu Karl Reinhold, der, wie Fichte selbst in einem Brief von 1795 sagt, eine einheitliche Folgerung des philosophischen Wissens durch die Bestimmung des Denkvermögens als dessen Grundlage versucht hatte. Derselbe Brief offenbart zugleich, Kant wollte nicht die ganze Philosophie aus einem Grundbegriff herleiten, sondern nur ihre Teile aufeinander abstimmen. Im Gegenteil zu Reinhold lehnt aber Fichte die Abhängigkeit der práxis von dem theoretischen Wissen ab, insofern seiner Auslegung nach, sollte der obengenannte Grundbegriff die vollständige Tätigkeit des Geistes ausdrücken. Eine solche Tätigkeit wird von Fichte durch das Wort »Subjektivität« nennt.

In diesen Jahren will der Philosoph aus Rammenau sowohl die Kantische Philosophie verbessern, als auch sie bezüglich der Kritiken der Philosophen der Spät-Aufklärung wahren: unter anderen sollten wir uns an die Bemerkungen von G.E. Schulze erinnern, der durch die anonyme Schrift Aenesidemus oder über die Fundamente der von Reinhold in Jena gelieferten Elementar-Philosophie (1792) eine »Kritik der Kritik der Vernunft« zur Verteidigung des Skeptizismus versucht. Dieses Buch hat einen wichtigen Einfluss auf Fichte gehabt, und hat zugleich Fichte zur Änderung seiner Philosophie, die noch ein Gemisch von Kant und Reinhold damals war, gebracht. Die Entwicklung der Wissenschaftslehre ist aber auch durch das Nachdenken Maimons, den Fichte im Grundlage als einen philosophischen Bezugspunkt des 18. Jahrhunderts bezeichnet, konditioniert worden. Fichte hat daher bedeutsame Begriffe aus dem Nachdenken Maimons genommen: A) die Aussage der wechselseitigen Bestimmung der Funktionen des Bewusstseins; B) das Verhältnis zwischen Phänomene und Ideen der Vernunft, die durch bestimmte Regeln des Verstandes die Gründung der Gegenstände erklären können; C) die Überlegung über das Problem des Ich, das als Einheit des Bewusstseins Bedingung der Anschauungen und der Begriffe ist. Aus diesem Grund kann man nicht aussagen, dass das Ich durch etwas Äußeres bestimmt wird; gleichzeitig ist es, als Objekt des Denkens, anders als das Ich als Individuum, denn der letztere kann nur durch die Bestimmung des Ich als Grenzwert einer Annäherung begriffen werden, obwohl eine solche Vollendung doppeldeutig wäre, insofern das Ich gleichzeitig als Objekt und non-Objekt bestimmt wäre; D) das Gesetz der Bestimmung, nach dem in jeder Synthese das Subjekt (d. h. das, was wir bestimmen können) ohne Prädikate sein kann. Also ist Maimon der Autor, von dem Fichte jenes Gesetz der Bestimmung genommen hat, das sehr wichtig sowohl im Grundlage, als auch in den weiteren Abfassungen der Wissenschaftslehre ist.

Als wir über Karl Reinhold geredet haben, haben wir zugleich betont, dass Fichte nicht den Bereich des praktischen hinsichtlich jenes des theoretischen subsumieren wollte: Kant hatte dasselbe Vorhaben ausgedrückt; trotzdem ist wahrscheinlich Jacobi der Philosoph, den wir bezüglich des obengenannten Verhältnisses zwischen práxis und theóresis als wichtigen Einfluss im Lauf der Entwicklung der Fichteschen Philosophie zitieren können. Friedrich Jacobi hatte den Unterschied zwischen »Philosophie« und »Leben« betont, im Sinne einer Abhängigkeit der Philosophie von dem Leben.6 In Wahrheit teilt Fichte sowohl dieses philosophische Vorhaben, als auch die Abtrennung zwischen den praktischen und theoretischen Bereichen; trotzdem fragt er zugleich, inwiefern die beide Dimensionen in einem Verhältnis liegen können; andererseits sucht Fichte den Punkt, in dem das, was für die Gefühle gewiss sei, kann auch für die Vernunft ebensogut gewiss sein. Damit können wir das ursprüngliche Bedürfnis der Philosophie Fichtes verstehen, weil es einen Versuch einer Widerlegung des Kantischen Dualismus zwischen Denken und Handeln betrifft; andererseits scheint Jacobi als bedeutsamer Bezugspunkt gerade bezüglich der Kritiken des transzendentalen Idealismus und des obengenannten Begriffes des »Ding-an-sich«, die zunächst durch den Briefroman Eduard Allwills Briefsammlung und das Buch David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus (1787) vorbereitet wurden. Der Streit zwischen Idealismus und Realismus, oder »das Problem des selbstständigen Dinges« wie Johannes Brachtendorf geschrieben hat, ist entscheidend für Fichte, dessen Nachdenken zunächst das Verhältnis des Erkenntnisgegenstandes zum erkennenden Subjekt (d. h. das Ich) betrifft. In diesem Sinne entwickelt Fichte die Basen der Kritik Jacobis, wegen der Überzeugung einer Unvereinbarkeit zwischen dem Begriff des »Ding-an-sich« und der Idee der Freiheit, die anders als der Begriff einer Welt an sich ist.

Die Idee der Freiheit ist aber der Grundton des Nachdenkens Fichtes: diese Philosophie ist deswegen mit der Bedeutung des Verhältnisses zwischen »Freiheit« und »Notwendigkeit« innerhalb der menschlichen Tätigkeit verbunden; gleichzeitig hat die Freiheit, der Auslegung Fichtes nach, immer eine vernünftige Bedeutung in dem Sinne sowohl der praktischen Vernunft, als auch des kategorischen Imperativs Kants: damit ist die Entwicklung solcher Freiheit, sowohl in der Mensch als auch in der Gesellschaft, eine fortschreitende Vollendung der menschlichen Vernünftigkeit. Dieses Bedürfnis der Freiheit scheint deutlicher in den Fichteschen Schriften über die Moral, die Politik und die Religionsphilosophie, obwohl sich in der Wissenschaftslehre dasselbe Erfordernis findet. Trotzdem ist gerade die Bestimmung einer freiwilligen Handlung als Grundanschauung der Philosophie, die durch keine Tatsache bestimmt werden soll, sondern durch eine Handlung, der besondere Aspekt des Denkens Fichtes; ohne solche Handlung (d. h. die Tätigkeit von der das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein und jede Art der Kenntnis herkommen) könnte die Philosophie sich nicht entwickeln als Wissenschaftslehre. Deshalb hegt Fichte das Bedürfnis einer Ergänzung des Antrages der Freiheit innerhalb des Verhältnisses zwischen (moralischem) Leben und Philosophie, in dem die beide Wörter koexistieren. Obwohl Kant schon ein Begriff der Freiheit ausgedrückt hatte, gibt es, der Auslegung Fichtes nach, die Gefahr, dass dieser Begriff als bloße Formulierung bleibt, wenn man den geistlichen Ursprung der Vorstellungen nicht erkundet. Zwischen dem Gesetz und der Tätigkeit findet sich notwendig die Vermittlung der Vorstellungen, die innerhalb der praktischen Vernunft liegen. Deshalb verstehen wir den Grund des absoluten Vorrang der praktischen Vernunft in der früh-Philosophie Fichtes, die jedoch mit der Tradition der deutschen Universitätsphilosophie des 18. Jahrhunderts augenscheinlich verbunden ist.7 Trotz der Analogien mit dem Kantischen Denken können wir bei Fichte viele überlieferten Wörter des philosophischen Denkens durch einen Bedeutungswandel finden: das Wort »transzendentale« scheint selten in den Schriften der Früh-Neunzigerjahre, und als es scheint, hat es nicht die klassische Bedeutung des Wortes, sondern es meint wie man die Vorstellungen dieser Gegenstände erzeugt (nicht mehr: gekannt) werden können, und zugleich welche die Funktionen des Ich sind, die solche Gegenstände erzeugen. Gleichzeitig wird die Kenntnis der Gegenstände nicht mehr als Erfahrung überhaupt genannt: es gibt deswegen eine andere bedeutungsvolle Sinnsänderung, weil als Erfahrung bei Fichte das Wesen des Bewusstseins bestimmt wird, das frei und vernünftig ist, obwohl begrenzt.

Das ist eigentlich aber das Problem Fichtes: es handelt sich nicht um die Erklärung der Spontaneität des Ich, sondern der Passivität, d. h. solche Wirklichkeit, die die ursprüngliche Spontaneität abgrenzt. Deshalb versuchte Fichte die Ausarbeitung eines Systems, in dem die Funktionen des Ich bezüglich der logischen Struktur des ersten Teils des Kritik der reinen Vernunft Kants entwickelt werden können; der Mensch kommt durch das Bewusstsein als Einheit (nämlich: das Ich), wo diese Tatsache nur durch die Voraussetzung etwas in dem Mensch bedingungslos verständlich ist. Am Anfang der theoretischen Entwicklung der Philosophie Fichtes wird das Ich noch als Tatsache bestimmt: durch die Umkehrung dieser Voraussetzung reift demnach das System der Wissenschaftslehre, das im Dezember 17938 »das absolute Ich« als einzige Grundanschauung der Philosophie bestimmte. Diese Umkehrung geschieht aber gerade hinsichtlich der Philosophie Reinholds in dem Sinne, dass Fichte die Unmöglichkeit der Wahl einer Tatsache (des Bewusstseins) als Ausgangspunkt seiner Forschung entdeckt; vielmehr: muss man eine Tathandlung wählen, die die obengenannte Tatsache begründen kann. Trotzdem ist der Versuch einer Begründung der Philosophie durch eine Tatsache eine radikale Umkehrung bezüglich des Verhältnisses zwischen Philosophie und Logik.

In dem Vergleich mit Kant, widerlegt Fichte den Vorrang der traditionellen Logik zur transzendentalen Logik, die noch den Satz des Nicht-Widerspruchs als Grundgesetz jedes Wissens bestimmte; gleichzeitig wendet Fichte die überlieferten Hierarchien, und gründet demnach die Struktur der kommenden idealistischen Systemen: die Philosophie als Wissenschaftslehre soll daher die Logik gründen, und nicht umgekehrt, weil gerade die Wissenschaftslehre die Grundbedingungen der Erkenntnis bestimmt. Diese Bedingungen sind aber weder theologischen (das heißt: Gott als Garantie unserer Gesprächsvorgänge) noch metaphysischen Bedingungen (z. B. eine vernünftige Struktur der Dinge), sondern sie kommen von dem Verfahren der Entwicklung des Wissens her. Fichte bietet daher das Beispiel des ersten schlechthin bekannten Gesetzes der Logik an: A = A; es ist aber nur hypothetisch, weil es meint, dass A ist, wenn A gesetzt ist; z. B. wenn das Bewusstsein den Begriff des Dreieckes darstellen würde, gäbe es gewiss diesen Begriff und zugleich der Gegenstand der Vorstellung ein Dreieck wäre; trotzdem gibt es keine Notwendigkeit solcher Vorstellung, weil die Menschen wahrscheinlich weder ein Dreieck noch andere geometrische Figuren dargestellt haben könnten. Es gibt daher nur einen Fall, in dem der Satz A = A nicht hypothetisch sei, sondern ab-solut, weil er keine äußere Bedingung braucht: der Fall in dem A = Ich, d. h. solche reine und spontane Tätigkeit des menschlichen Geistes, die wie bereits oben angedeutet, Fichte als Grundanschauung seines Systems bestimmt. In diesem Fall, kann man nicht sagen: wenn das Ich gesetzt ist, so gibt es das Ich, insofern ohne das Ich kein Urteil und zugleich kein logischer Satz existieren könnte. Die Logik betrifft deshalb nur die Formen des Wissens, nämlich die allgemeine Bedingungen der Erkenntnis, und bedenkt keine Beziehung zum Gehalt des Wissens; umgekehrt bedenkt die Wissenschaftslehre nicht nur die Formen, sondern zugleich den Gehalt des Wissens.

Die Logik ist deswegen ein künstlicher Versuch einer Abstraktion, die eine einfache Entwicklung der Wissenschaften unterstützen kann, obwohl nur die Wissenschaftslehre, deren Grundsätze wir jetzt vertiefen, die Wissenschaften überhaupt gründen kann.

2. Das Denken Fichtes und Heideggers hinsichtlich des Satzes der Identität

Das erste bedeutende Werk von J. Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794/95), fängt mit der Erläuterung der Grundsätze seines Systems an. Es handelt sich um einen sehr bekannten Teil seines theoretischen Entwurfs, obwohl Fichte keineswegs das System der Wissenschaftslehre als eine Vereinigung von drei Teile (d. h. Grundsätze, Grundlage des theoretischen Wissens und der Wissenschaft des Praktischen) hält; diese Unterteilung ruft demnach ins Gedächtnis das Schema der Vorlesungen, die in Zürich gehalten wurden: trotzdem wird eine solche Urteilung nicht mehr im Lauf der Entwicklung des Fichteschen Systems gebraucht, weil Fichte den ersten Teil des Systems beseitigt. Auf jeden Fall werden die Inhalte der Behandlung der Grundsätze oftmals durch die Überarbeitungen der Wissenschaftslehre besprochen, insofern die entwickelten Begriffe (z. B. die »Teilbarkeit«) als Grundgesetze des Fichteschen Denkens bleiben werden. Gleichzeitig enthalten die Grundsätze dieses philosophischen Systems eine große Auswahl an Bedeutungen, insofern sie verbergen: A) drei Gesetze der Logik (die Sätze der Identität, des Widerspruchs und des Grundes); B) drei Kantischen Kategorien der Qualität (Realität, Negation und Limitation); C) drei Weise eines Urteiles (thetisch, antithetisch oder analytisch, synthetisch).

Durch diese vielfältige Sinne der Begriffe Fichtes verstehen wir demnach, dass die Vereinigung der philosophischen Systeme der Aufklärung innerhalb der Wissenschaftslehre ein bedeutendes Ziel dieser Philosophie war. Trotzdem gibt es ein anderes Kennzeichen des Fichteschen Textes: die doppeldeutige Entwicklung der Argumentation bezüglich des Bezirkes des Ich und des empirischen Bewusstseins; diese Gliederung hält das Verhältnis zwischen »Thathandlung« und »Thatsache«. Die Tatsache des empirischen Bewusstseins wird durch offenkundige Formulierungen einer Vereinfachung bestimmt: bezüglich dieser Aussagen können wir zur Entdeckung der ab-soluten Tathandlung gelangen. Diese Tatsache wird durch die Formel A = A (anders gesagt: »A ist A«), deren innere Offensichtlichkeit Garantie einer gewissen Aussage ist, ausgedrückt. In Wahrheit sagt man nicht, dass A überhaupt existiert, sondern die Formel bedeutet: wenn A gesetzt ist, so A = A. Die Identität hält deswegen einen notwendigen Zusammenhang zwischen den Faktoren: dieser Zusammenhang ist im Ich und durch das Ich, das bezüglich dieses Zusammenhanges urteilt, bestimmt wird; wir fragen aber, woher diese Aussage hinsichtlich der Bestimmung der Gesetze im Ich kommt? Fichte sagt, dass man diese Antwort durch die abstrahierende Reflexion suchen sollte, weil diese Reflexion über das Kennzeichen der Logik als ars inveniendi die Gesetze, mit der das Bewusstein handelt, in dem Bewusstsein selbst zurückruft. Gleichzeitig entdeckt dieselbe Reflexion, dass die Gesetze vom Ich bestimmt werden, insofern sie dem Ich gehören. Trotzdem ist das nicht beweisbar, weil es als Grund der Demonstration fungiert; dieser Zusammenhang wird jedoch von Fichte entwickelt, um die neue Aussage der Identität, die durch die Formel »Ich bin Ich« ausgedrückt wird, zu gelangen. Wenn wir auf diese Formel achten, bemerken wir die Unterschiede in dem Vergleich zur Formel »A ist A« in dem Sinne, dass die Bestimmung des A vom Ich abhängt, während das Ich selbständig ist. Als Grund des Gesetzes scheint das Ich zugleich als Grund jener reinen Tätigkeit, die die Formel »Ich bin Ich« darstellt:

Das Ich sezt sich selbst, und es ist, vermöge dieses bloßen Setzens durch sich selbst; und umgekehrt: Das Ich ist, und es sezt sein Seyn, vermögen seines bloßen Seyns. — Es ist zugleich das Handelnde, und das Produkt der Handlung; das Thätige, und das, was durch die Thätigkeit hervorgebracht wird.9

Deswegen gilt die Aussage »Ich bin« wie »Ausdruk einer Thathandlung; aber auch der einzigen möglichen«.10 Durch diese Prozesse haben viele Kritiken sowohl einen Sprung ins Dunkel, in dem Sinne eines unpassenden Verhältnisses zwischen einer formalen Aussage (A ist A) und einer ontologischen Feststellung (»Ich bin«), als auch eine doppeldeutige Verwendung des Wortes »ist« (einmal als logisch Kopula, d. h. als Verbindung der Faktoren eines Satzes; und danach als Existenzsaussage) gefunden. Um die wahre Bedeutung der Argumentation zu verstehen, sollten wir bemerken, dass Fichte keineswegs sagt: »Ich bin, weil A = A«, sondern »A = A, weil Ich bin«; er bringt daher vor: »nicht der Saz: A = A den Saz Ich bin«, aber »der leztere den ersten begründe«.11 Zum Ich können wir durch den Weg der Argumentation gelangen, aber es ist möglich gerade bezüglich des Selbstbewusstseins, das das Ich hat, insofern es ist. Das Ziel unserer Forschung ist aber der Satz der Identität hinsichtlich des Fichte-Heidegger Verhältnisses; deshalb wenden wir uns wieder der Fichteschen Argumentation in der ersten Paragraph der 1794 erschienene Grundsätze der gesammten Wissenschaftslehre zu: wie man oftmals betont, interessiert Fichte die Suche des »absolutersten, schlechthin unbedingten Grundsaz alles menschlichen Wissen«. Es handelt sich um einen Grundsatz, dessen Gewissheit und Notwendigkeit gleich wie die absolute Evidenz à la Descartes gelten soll; dieser Grundsatz kann nicht nachgewiesen werden, weil er Grund jenes Bewusstseins, in dem er keineswegs scheint, ist.

Deshalb könnten wir schon bemerken, dass das Vorhaben des Fichteschen Denkens das Kennzeichnen der Metaphysik offenbart: bezüglich der Auslegung Heideggers ist daher die Suche der »absolutersten« Gründe das Leitmotiv der abendländischen Philosophie, die seit dem Denken Platos überhaupt nicht mehr die Geschichte der Wahrheit des Seins ist, sondern »jene Geschichte, in der das Denken das Sein als die Wahrheit des Seienden denkt, seinem ganzen Ansatz nach aber die Wahrheit des Seins selbst ungedacht lassen muß«.12 Deshalb folgt die Philosophie »auch dort, wo sie wie bei Descartes und Kant kritisch wird, stets dem Zug des metaphysischen Vorstellens«.13 Der Auslegung Heideggers nach vergisst demnach eine solche Suche die Wahrheit des Seins. Andererseits können wir bemerken, dass die wichtigste Kritiken bezüglich der aporethischen Schlussfolgerungen der Wissenschaftslehre gerade die Funktion des Wortes »Sein« (als »ist«, »bin« oder das Identitätszeichen) innerhalb des ersten Abschnittes betreffen. Trotzdem werden wir später die Kritiken Heideggers vertiefen.

Was die Analyse des ersten Grundsatzes betrifft, bringt Fichte vor, dass selbst vermittelst einer abstrahierenden Reflexion unmöglich ist, dass was Tatsache des Bewusstseins ist, solche werden; vielmehr lässt sie erkennt, dass man jene Tathandlung, als Grundlage jedes Bewusstseins, notwendig denken müsse. Obwohl die Gesetze, nach denen man solche Tathandlung sich als Grundlage des menschlichen Wissen denken muss, noch nicht als gültig erwiesen sind, werden sie zugleich als bekannt, »und ausgemacht, vorausgesezt«.14 Fichte verlangt deswegen einen Satz, der als absolut gewiss gilt, und der keineswegs bestritten werden kann

und mehr noch, dem jeder mit üblichen sprachlichen und mentalen Voraussetzungen Ausgestattete ohne Einwände zustimmen würde, ohne eines außerhalb dieses Satzes liegenden Grundes zu bedürfen.15

Fichte gibt zugleich zu, dass er dergleichen Sätze wohl auch mehrere geben dürfte, aber man wählt denjenigen, von welchem aus der Weg zum Ziele der Forschung am kürzesten ist. Die Wahl sich am Anfang der Erläuterung des ersten (schlechthin unbedingten) Grundsatzes findet: um diese Argumentation besser zu erklären, wollen wir die Struktur der Fichteschen Argumentation verfolgen. Man sagt, dass die Formel »A ist A« (d. h. A = A, weil das die Bedeutung der logischen Kopula wäre) gewiss sei: somit braucht man kein Beweis, weil sie »ohne allen weitern Grund« gewiss ist; wir hätten also die Fähigkeit, etwas schlechthin zu bestimmen. Trotzdem können wir schon eine Zweideutigkeit bezüglich der Bedeutung der logischen Kopula finden: wie viele Kritiker angedeutet haben, könnte die obengenannte Kopula keineswegs eine Identität ausdrücken; trotzdem können wir diese Argument später durch einen logischen Schlüssel vertiefen. Fichte bringt daher vor, dass die Behauptung, dass A = A eine Aussage gewiss an sich sei, noch nicht bezüglich der Existenz von A sagt. Die Formel A = A ist deshalb anders als »A ist« in dem Sinne, dass es ein A gibt: »Seyn, ohne Prädikat gesezt, drückt etwas ganz anders aus, als seyn mit einem Prädikate, worüber weiter unten«.16 Andererseits ist der Satz: wenn A sei, so sei A, deutlicher, insofern er eine Unterscheidung zwischen formaliter und materialiter Bedeutung des Satzes ausdrückt.

Der Bereich des Gehaltes ist aber hier abwesend, weil gar nicht die Frage ist, ob A überhaupt sei. Ein Zusammenhang (X), der ohne weitere Gründe ist, liegt zugleich bezüglich des »wenn-so« Verhältnisses innerhalb dieser Formel. Die Frage über die Existenz (im Sinne des Gehaltes) ist aber noch ungelöste; trotzdem bringt Fichte vor: A) zuerst ist X in dem Ich und durch das Ich gesetzt, weil das Ich selbst in dem obengenannten Satz durch X urteilt; B) der Zusammenhang X ist dem Ich vom Ich ohne weiteren Gründe gegeben; C) wir wissen nicht, ob und wie A überhaupt gesetzt wird, aber, weil X das Verhältnis zwischen A (als unbekannten Setzen) und A (als absoluten Setzen) bestimmt, ist A innerhalb des Ich und durch das Ich, gleich wie X, gesetzt; D) gleichzeitig bezieht sich X sowohl auf dasjenige, welches in dem Satz der Identität die logische Stelle des Subjekts einnimmt, als auch auf dasjenige, welches als Prädikate fungiert ((A = A) ⊃ X). Das bedeutet, dass die beide A durch X im Ich vereinigt sind; anders gesagt:

das im Prädikate wird, unter der Bedingung, daß das im Subjecte gesezt sey, schlechthin gesezt; und der obige Saz läßt demnach sich auch so ausdrücken: Wenn A. im Ich gesezt ist, so ist es gesezt; oder — so ist es.17

Deshalb bestimmt das Ich durch X, dass A für das urtheilende Ich und lediglich wegen seines Gesetzseins in dem Ich überhaupt sei. Das heißt, dass es gesetzt wird, dass in dem Ich etwas sei, das sich stets gleich, »stets Ein und eben dasselbe sey«;18 demnach können wir das schlechthin gesetzte X auch durch die Formel »Ich = Ich« (»Ich bin Ich«) ausdrücken. Trotzdem ist der Ausdruck: »wenn A gesetzt ist, so ist gesetzt« ganz problematisch. Man versteht daher weder, ob die Formel bedeutet: »wenn A im Ich gesetzt ist, so ist es im Ich (also: für mich) gesetzt«; noch, ob sie als »wenn A schlechthin (d. h. an sich) gesetzt ist, so ist es schlechthin gesetzt« gelesen werden muss.

Anton F. Koch, im Lauf der Vorlesungen im Sommersemester 2001 an der Universität Tübingen, hat unterstrichen, dass Fichte etwas Drittes sagen wollte: “wenn A im Ich gesetzt ist, so ist es schlechthin gesetzt”. Ergo, tertium datur: diese besondere Bedeutung der Formel kommt wahrscheinlich bezüglich der Rolle, die X (nämlich: der Zusammenhang, den Heidegger als das »nexus« der metaphysischen Überlieferung kritisiert19) hinsichtlich des Ich innerhalb der Fichteschen Argumentation spielt. Fichte schreibt daher, dass die Bestimmung von X Garantie der Formel »Ich = Ich« (wobei das Identitätszeichen gleich wie »ist« bleibt) ist; gleichzeitig betont Fichte, dass wir durch diese Operation schon »unvermerkt« zu dem Grundsatz: »Ich bin«, angekommen sind. Trotzdem ist dieser Satz kein Ausdruck einer Tathandlung (actio), sonder einer Tatsache (factum), insofern X schlechthin gesetzt wird, weil es eine Tatsache des empirischen Bewusstseins ist. Aber: weil X =? (Ich = Ich), so muss auch die Identität des Ich schlechthin gesetzt wird. Trotzdem ist »Ich bin Ich« ganz anders als »A="A"«, weil der letztere nur unter einer gewissen Bedingung einen Gehalt hat: »wenn A. gesetzt ist, so ist es freylich als A, mit dem Prädikate A. gesezt«.20

Dieser Satz macht aber nicht aus, weder ob es überhaupt, noch ob es mit irgend einem Prädikate, gesetzt sei. In dem gegenüber gilt der Satz “Ich bin Ich” sowohl unbedingt als auch schlechthin, insofern er gleich dem Satze X sei, und gilt zugleich nicht nur formaliter, sondern er gilt auch seinem Gehalt nach. Gleichzeitig ist das Ich des Satzes »Ich = Ich« unter keine Bedingung, sondern schlechthin mit den Prädikate der Gleichheit mit sich selbst gesetzt; also ist es gesetzt, und könnte man der Satz auch so ausdrücken: »Ich bin«. Trotzdem ist dieser Satz bis jetzt nur auf eine Tatsache gegründet, obwohl eine Tathandlung ist das, was die Wissenschaftslehre entwickeln möchte; deswegen er gilt nur als Tatsache des empirischen Bewusstseins in dem Sinne, dass wenn der Satz A = A (mit demjenige, was in ihm gesetzt wird: X) gewiss wäre, so müsste auch der Satz: »Ich bin«, gewiss sein. Andererseits stellt Fichte klar, dass wir genötigt sind, X für schlechthin gewiss zu halten; damit gründet sich auf welchen X auch der Satz: »Ich bin«. Einer ontologischen Auslegung nach bedeutet aber das, dass er Erklärungsgrund aller Tatsachen des empirischen Bewusstseins ist, dass »vor allem Setzen im Ich vorher das Ich selbst gesezt sey«;21 d. h. X ist die höchste Tatsache, die allem zum Grunde liege und in allen enthalten ist, des Bewusstseins.

Trotzdem soll der Ausdruck der höchsten Tatsache (»Ich bin«) nun auch als Ausdruck der Tathandlung vor allem Bewusstsein bewiesen werden. Fichte kehrt daher zum Ausgangspunkt durch die Verwertung des Satzes A = A, der gleich wie jede Art des Urteiles an eine Tathandlung des menschlichen Geistes verbunden sein soll, zurück; gleichzeitig wird die Identität A = A durch einen Grund X (= Ich bin), der von nichts höheres abhängt, bestimmt. Das ist deshalb der schlechthin gesetzte, und auf sich selbst gegründete Grund eines gewissen Handelns des menschlichen Geistes und zugleich sein reiner Charakter; trotzdem bringt Fichte vor, dass die Wissenschaftslehre gerade das nachweisen möchte. Also: unserer Meinung nach gibt es eine Zweideutigkeit in dem Sinne, dass wir nicht verstehen können, inwiefern es als Objekt des Nachweises gelten kann, wenn auch eine Tathandlung zum Unterschied von der Tatsache des Bewusstseins unnachweisbar ist.22 Es würde scheinen, dass das »Handeln des menschlichen Geistes« durch eine Tatsache gegründet wäre; das ist aber nur der Anschein, weil ein solcher Grund der reine Charakter dieses Handelns und demnach der reine Charakter der Tätigkeit an sich (»abgesehen von den besondern empirischen Bedingungen derselben«23) sein soll. Das ist andererseits nur ein Beispiel der Schwierigkeiten der Argumentation Fichtes, weil sich dieselbe Dunkelheit hinsichtlich des Satzes der Identität, den wir erklären möchten, findet. Dieser Satz betrifft nicht nur die absolute Tat, die die Formel »Ich bin« vorstellt; vielmehr sollten wir uns zugleich an das antithetische Urteil erinnern, das durch die Formel »-A ≠ A« des zweiten Grundsatzes auftaucht: dieser zweite Grundsatz ist nicht nur die bloße Folgerung des ersten Grundsatzes, weil man nicht aus dem »Dar-setzen« das Entgegensetzen entnehmen kann, obwohl jede Entgegensetzung ohne die obengenannte Darsetzung unmöglich wäre. Das Ich wurde bezüglich des ersten Grundsatzes als Tätigkeit bestimmt: also muss man auch hinsichtlich des Nicht-Ich in Bezug auf eine Tätigkeit, die formaliter unbedingt und materialiter (nämlich: -A ≠ ursprünglich A) bedingt sei, reden. Fichte entwickelt deshalb das Thema des absoluten Nicht-Ich; aber früher: die Form von -A wird durch die Handlung schlechthin bestimmt; es ist ein Gegenteil, weil es Produkt eines Gegensetzens ist: die Materie durch A; wobei wir bemerken sollen, dass Fichte die Wurzel »theil« benutzt, die durch den Begriff der »Theil-barkeit« bezüglich des dritten Grundsatzes der Wissenschaftslehre wesentlich wird.

Unsere Forschung betrifft aber den ersten Grundsatz, dessen Entwicklung geht weiter: die reine Tätigkeit des Ich ist entsprechend dem reinen Setzen des Ich durch sich selbst, und »es ist vermöge dieses bloßen Setzens durch sich selbst«; deshalb ist das Ich und es sein Sein setzt, vermöge seines bloßen Seins. Das bedeutet, dass das Ich (actio/factum) zugleich das Handelnde und das Produkt der Handlung ist; »Ich bin« ist daher Ausdruck einer Tathandlung oder, besser gesagt, der einzigen möglichen Tathandlung. Aus diesem Grund bringt Fichte vor, dass in der Formel: »Ich bin Ich«, das Ich schlechthin gesetzt wird; das Ich, das an der Stelle des formalen Subjekts (das, was schlechthin ist) steht, muss gleich mit dem Ich, das an der Stelle des Prädikates (d. h. das, was gesetzt ist) steht, sein: »das Ich ist dasjenige, als was es sich sezt; und es sezt sich als dasjenige, was es ist. Also: Ich bin schlechthin, was ich bin«.24 Daraus folgt, dass das Ich sich selbst setzt, indem es ist; umgekehrt: es ist, weil es gesetzt ist. Das Wesen eines so verstandenen Ich, nämlich als absolute Subjekt, besteht daher, dass es sich selbst als seiend setzt: »so wie es ist, sezt es sich; und das Ich ist demnach für das Ich schlechthin, und nothwendig. Was für sich selbst nicht ist, ist kein Ich«. Deshalb ist kein Ich, was für sich selbst nicht ist. Also setzt sich das Ich, durch sich selbst und für sich selbst, insofern, wie A.F. Koch betont hat, wenn es einen Standpunkt außerhalb des Ich, das in der Formel Ich bin nur für mich ist, gäbe, so »wäre das Ich für diesen Standpunkt nicht(s)«. Anders gesagt: »ist das Ich nur insofern es sich sezt, so ist es auch nur für das setzende, und sezt nur für das seiende«.25 Trotzdem sind sowohl der Ausdruck »sich selbst setzen«, als auch der Begriff des Seins völlig gleich bezüglich des Ich: der Satz »Ich bin, weil Ich mich selbst gesetzt habe« kann deshalb auch folgenderweise ausgedrückt wird: »ich bin schlechthin, weil ich bin; und bin schlechthin, was ich bin; beides [nur (aber notwendig)] für das Ich«.26 Der Meinung Fichtes nach, das könnte die Evidenz sein, die auf dem Höhepunkt der Wissenschaftslehre liegen sollte, insofern sie »etwa folgendermaßen ausgedrükt werden« müsste: »das Ich sezt ursprünglich schlechthin sein eignes Seyn«.27 Trotzdem gibt es, wie bereits angedeutet, viele Zweideutigkeiten, die wir, was der Satz der Identität betrifft, erörtern möchten. Unserer Meinung nach könnte sich der Kritik durch zwei verschiedene Weise entwickeln: A) der metaphysische Standpunkt, d. h. bezüglich der Inkonsequenzen innerhalb der Fichteschen Spekulation; B) der ontologische Schlüssel, nämlich der Heideggerschen Überwindung der Metaphysik nach.

Von dem logischen Standpunkt aus könnte man zunächst bemerken, dass Fichte zwei verschiedene Sätze durch zwei ebensogut verschiedene Anwendungen eines Identitätszeichens vereinigt: die Formel »Ich bin«, die ein Leitmotiv der Wissenschaftslehre ist, verbindet die Ausdrücke »A = A« und »A ist A«; gleichzeitig verwickelt Fichte Individuentermini und allgemeinen Termini, insofern jene als Prädikattermini aufgefasst werden, um ein besonderes theoretische Ziel zu gelangen. Das ist vielleicht die bedeutendste Grenze der Fichteschen Argumentation: das, was für den üblichen Sprachgebrauch als eine ungültige Explikation von Identitätsaussagen scheint, könnte für Fichte wegen eines bestimmten Zwecks seines Denkens annehmbar sein. Fichte glaubt, dass er durch die Identität A = A den Grund seiner Forschung gefunden hat; er bringt daher vor, dass die Bedeutung des Identitätszeichen auch folgenderweise ausgedrückt werden könnte: die Formel A = A kann gleich wie »A ist A« bestimmt werden.

Trotzdem enthält die Fichteschen Formel: »wenn A sey, so sey A« keine Identität, sondern sie offenbart eine bloße Implikation, insofern der Satz auch so ausgedrückt werden kann: Ex(A) ⊃ Ex(A).28 Gleichzeitig, wie Werner Stelzner betont hat, wird auch das im üblichen Sprachverständnis aufgefasste A = A nicht als »Ausdruck einer prädikatenlogischen Identität gefaßt«,29 weil es nur als Implikation (d. h. »wenn A gesetzt ist, so ist A gesetzt«) gilt. Diese Implikation zieht aber keine Aussage bezüglich der Existenz von A hinein, weil die logische Wahrheit dieses Satzes nur formaliter bestimmt wird. Das Verhältnis zwischen der Ebene des Ich und der Ebene der Formel A = A findet sich in der Voraussetzung der Möglichkeit jeder Selbstzuschreibung, insofern »vor aller Selbstzuschreibung das Objekt der Selbstzuschreibung, das zugleich Subjekt ist dieser Selbstzuschreibung ist, gesetzt werden muß«.30 Bezüglich des Ich bedeutet das, dass vor allen Setzen im Ich vorher das Ich selbst gesetzt wird. Diese Setzen des Ich geschieht in jener ursprünglich Tathandlung, die man als Grundlage alles Bewusstseins notwendig denken müsse. In Wahrheit ist gerade diese Tathandlung die Garantie der Notwendigkeit sowohl von dem Satz »Ich bin«, als auch von der kausalen weil-Beziehung: »weil (nicht mehr: wenn) Ich bin, so bin Ich«. Wenn wir die obengenannte Tatsache des empirischen Bewusstseins als Ersetzt für die Elemente dieses Satzes bedenken würden, würden wir eine Formel bekommen, die nicht innerhalb der Wissenschaftslehre existiert: »weil A ist, so ist A«. Also sagt man: »weil Ich bin, so bin Ich«, aber: »wenn A ist (im Sinne: gesetzt wird), so ist A«, insofern die Formel »Ich bin Ich« keine Ersetzung des Ich für A ist; wenn das wäre, würde die ursprünglich Implikation lauten: »wenn Ich bin, so bin Ich« (!); trotzdem ist ein solcher Satz ungerechtfertigt der Auslegung Fichtes nach, weil sich die von Fichte für den absolutersten »Grundsaz alles menschlichen Wissens« geforderte Einheit von Formalgrund und Gehalt erst bei Deutung von »Ich bin Ich« als »weil Ich bin, so bin Ich« stellt. Deshalb, wie Stelzner betont hat, sagt die Logik: »wenn A ist, so ist A«; umgekehrt würde die Wissenschaftslehre sagen: »weil A ist, so ist A« in dem Sinne, dass es für die Frage: »ist denn A gesetzt? « nur eine mögliche Antwort gibt: »A ist gesetzt, denn es ist gesetzt«.

Andererseits ist der Satz »A ist A« ganz anders als »A ist« oder »es gibt A«, obwohl der Satz »Ich bin Ich«, der durch die Identität Ich = Ich auftaucht, als ein Nachweis der Existenz des Ich, gilt. Diese Existenz des Ich folgt daher aus dem Satz »Ich bin Ich«, wenn auch die Existenz von A nicht aus der Formel »A ist A« folgen kann. Das heißt: der Satz »Ich bin Ich« hat eine ganz andere Bedeutung in dem Vergleich zu dem Satz »A = A«, insofern, wie bereits oftmals gesagt, des letztere nur untere einer gewissen Bedingung einen Gehalt hat. Deshalb verbirgt die Identitätsaussagen Fichtes (»Ich bin Ich«) eine bestimmte Voraussetzung, die auf dem Höhepunkt der Fichteschen Spekulation liegt: jedes Setzen setz die Existenz des Ich voraus; oder, anders gesagt: »alles, was ist, ist nur insofern, als es im Ich gesezt ist, und ausser dem Ich ist nichts. Kein mögliches A im obigen Satze (kein Ding) kann etwas anders seyn, als ein im Ich geseztes«. Dieser Satz sieht wie »eine starke idealistische31 These« aus, weil man sagt, dass was real ist, fällt in den Bereich (der Logik und deswegen) der Tathandlung. Das ist aber ein Argument, das wir bezüglich der Kritik Heideggers, die die Auslegung Fichtes der Satz der Identität in dem Kontext des spekulativen Idealismus zurückführt, entwickeln können. Was den aporethischen Satzes »Ich bin Ich« betrifft, können wir betonen: »der Satz läßt sich auch ausdrücken: Ich bin«, insofern die Formel »Ich bin« die Voraussetzung für das Setzen von anderen Sätze überhaupt ist. Die Notwendigkeit dieses Ausdruckes beruht also auf jener Tathandlung, die Fichte am Anfang der Grundsätze der gesammten Wissenschaftslehre zeigt:

Er (nämlich: der Grundsatz alles menschlichen Wissen) soll diejenige Thathandlung ausdrücken; die unter den empirischen Bestimmungen unsers Bewustseyns nicht vorkommt, noch vorkommen kann, sondern vielmehr allem Bewustseyn zum Grunde liegt, und allein es möglich macht.

In Wahrheit ist die Formel »Ich bin Ich« die einzige, in der sich die geforderte Einheit von Gehalt und Form vollendet, die Fichte für den Grundsatz seines Systems verlangt. Gleichzeitig scheint das »bin« des Satzes »Ich bin« die einzige Kopula des Gedankenganges Fichtes, insofern, in dem Gegensatz zu den Voraussetzungen des Philosophen aus Rammenau, weder in dem Falle des »A ist A« noch des Satzes »Ich bin Ich« das »ist« (sowohl das Wort »bin«, als auch das Identitätszeichen “=”) als Prädikatenkopula fungiert. Trotzdem, wie Stelzner unterstrichen hat, wird zugleich die Stelle des Prädikats in der Formel »Ich bin […]« ganz leer gelassen: »auch wenn das mit üblichen umgangssprachlichen Verwendungsweisen der Kopula gut vereinbar ist, ist es in den Fichteschen Kontext nur um den Preis der Inkonsistenz einzuordnen«.32

Durch die Behauptung von Stelzner können wir die Art der Inkonsequenzen der Behandlung Fichtes, wenigstens hinsichtlich des Standpunktes der Logik, verstehen: wie bereits gesagt, verwendet Fichte die Parameter der klassischen Logik, um die innere Struktur seines Systems zu rechtfertigen; trotzdem verliert sich bei dieser Interpretation die ursprüngliche Bedeutung der logischen Strukturen: zunächst die Gültigkeit des Prinzips der Ersetzbarkeit, insofern »A ist nicht nur identisch mit A, sondern es ist auch Fichte-identisch mit sich selbst«.33 In Wahrheit hätte diese »neue« Auslegung der Satz der Identität eine wichtige Bedeutung bezüglich der Geschichte der europäischen Philosophie, obwohl eine solche Bestimmung der Satz ungerechtfertig in dem Sinne der traditionellen Logik wäre. Am Anfang des Textes eines Vortrages, der gerade Der Satz der Identität heißt und im Juni 1957 gehalten wurde, findet sich eine bedeutungsvolle Auslegung dieses Satzes, die Heidegger in der Perspektive seiner Kritik der Metaphysik entwickelt. Von dem logischen Standpunkt aus betreffen die Grenzen der Fichteschen Darstellung die innere Konsequenz der theoretischen Struktur der Wissenschaftslehre. Dagegen betrifft die Kritik Heideggers die ganze Tradition des spekulativen Idealismus, der sowohl seit Leibniz und Kant (die eine solche Philosophie vorbereitet haben) als auch durch die Systemen von Fichte, Schelling und Hegel, die ursprüngliche Bedeutung der Identität vergessen hat. Betont daher Heidegger, dass seit der Epoche des Idealismus diese Bedeutung »dem Denken untersagt« bleibt. Warum kritisiert aber Heidegger die Entwicklung der abendländischen Philosophie bezüglich des Satzes der Identität? Und dann: was für eine ursprüngliche Bedeutung meint der Philosoph aus Messkirch?

Der Idealismus wird kritisiert, weil man gerade durch diesen Satz verstehen kann, inwiefern Sein und Mensch (nämlich: das Denken als Bezug auf das Sein in dem Sinne des Offenstehens) verbunden sind; im überlieferte, metaphysischen Denken sind aber sie in einer bestimmten Weise gedacht: das Sein gilt daher als bloße Anwesenheit (»Vorhandenheit« im Sein und Zeit), und der Mensch als »animal rationale« (zóon lógon échon) bestimmt wird. Das ist aber nicht der Ort, um eine Erklärung dieser schwierigen Argumente zu versuchen; was unsere Forschung betrifft, kann man jedoch vorbringen, dass der Auslegung Heidegger nach, hat der Satz der Identität eine ganz andere Bedeutung in dem Vergleich zum Sinne der Philosophie Fichtes. Trotzdem handelt es sich um keinen theoretischen Unterschied, sondern das Thema ist bei Heidegger durch einen onto(theo)logischen Ausblick entwickelt, wenn auch die Wurzel theo- kein Bezug auf den Bereich des Religiosität zeigt, sondern sie betrifft das begründende Seiende (d. h. das Göttliche), das das Sein begründet, wie wechselseitig das Sein das Seiende gründet.34 Durch diesen Bezug verstehen wir, dass bei Heidegger das Thema der Identität eine umfangreicher Bedeutung in dem Vergleich zur Fichteschen Wissenschaftslehre hat: der Philosoph aus Rammenau dachte daher, dass die Identität (to autó, idem, das Selbe) ein Zug in dem Sein war; umgekehrt sagt Heidegger, dass diese metaphysische vorgestellte Identität ganz anders ist, als das, was in der Frühzeit des Denkens als to autó erscheint: die Identität, das Selbe, gilt als Selbigkeit, besser gesagt: als die Zusammengehörigkeit von Sein und Denken. Also: das Sein ist ein Grundzug innerhalb der Identität; die idealistische Auslegung Fichtes wird solcherart umgekehrt, und Heidegger vertritt zugleich die Wiedergewinnung des Denkens Parmenides. Längst bevor der Begriff, der wir als »das Selbe« kennen, zu einem Satz der Identität kommt, meint er: »Denken und Sein gehören in das Selbe und aus diesem Selber zusammen«; deshalb ist das die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes. Um sie wiederzubekommen, macht Heidegger ein Schritt zurück in der Geschichte der abendländischen Philosophie.

Er sagt zuerst aus, dass die Formel A = A, die als das oberste Denkgesetz gilt,35 mehr als eine bloße Tautologie ist. Wäre es eine leere Wiederholung eines Terminus, könnten wir verstehen weder das Bedürfnis der Wiederholung von A noch die eigentliche Bedeutung eines Satzes Platons, der sich im Dialog Sophistes (254d) findet und lautet:

oukóun autón hékaston tóin men dyóin héterón estin, autó d’heautó tautón

Die Bedeutung der Aussage ist: »Nun ist doch von ihnen jedes der beiden ein anderes, selber jedoch ihm selbst dasselbe«;36 das heißt, Platon meint nicht nur: »jedes selber dasselbe«, sondern: »jedes selber ihm selbst dasselbe«. Und Heidegger bringt vor: »der Dativ heautó bedeutet: jedes etwas selber ist ihm selbst zurückgegeben, jedes selber ist dasselbe — nämlich für es selbst mit ihm selbst«.37

Das ist aber dieselbe Bedeutung der Kritik Stelzners, die wir schon betont haben: »Aber A ist nicht nur identisch mit A, sondern es ist auch Fichte-identisch mit sich selbst«. Die interessante Bemerkung von Werner Stelzner sollte jedoch klargestellt werden: es handelt sich daher um keine Fichteschen Identität des A mit sich selbst, sondern diese »Beziehung des mit« ist ein Leitwort der Geschichte der Philosophie, insofern diese »connexio« (trotzdem wird dieses Wort lediglich im Sinne des metaphysischen Denkens entwickelt) die Grundbedingung der Selbigkeit sei. Besser gesagt: eine solche Beziehung ist »eine Vermittlung, eine Verbindung, eine Synthesis: die Einung in eine Einheit«.38 Das heißt, dass die Identität durch die Geschichte des abendländischen Denkens im Charakter der Einheit, die keineswegs eine »fade Leere dessen, was […] anhaltend auf einem Einerlei beharrt« ist. Trotzdem braucht diese Beziehung mehr als zweitausend Jahre, um ans Licht zu kommen, weil z. B. was der spekulative Idealismus betrifft, wird die Identität nur abstrakt vorgestellt, als eine bloße Einerlei. Damit sagt die Formel A = A nichts über die Identität, insofern diese Formel gerade das, was der Satz ausdrucken möchte, verdeckt.

Durch diese Behauptungen können wir die klassische Auslegung Heideggers des metaphysischen Denkens betonen, das schon im 1935 stattgefundene Vortrag über die Einführung in die Metaphysik als Geschichte der Vergessenheit (der Wahrheit) des Seins urteilt wird; was heißt aber »Wahrheit des Seins«? Diese Wahrheit ist die Geschichte des Übereignens zwischen Denken und Sein, und sie gewährt zugleich die obengenannte Selbigkeit von Sein und Denken. Also: sowohl der Begriff der »Selbigkeit« (Einheit) als auch das »Sein-und-Denken« Verhältnis (d. h. das Zusammengehören beider), sind deshalb die wichtigste tópoi der Auslegung Heideggers des Satzes der Identität. Die Identität jedes Seiendes mit ihm selbst auf eine andere, höchste Identität verweist: nämlich auf das Zusammengehören von Sein und Denken (Mensch); »ein Seiendes kann in der Identität, die es mit ihm selbst hat, erscheinen, wenn es in seinem Sein gedacht wird, wenn also die Identität von Sein und Denken geschieht«.39 Aus diesem Grund erscheint die Differenz zwischen den verschiedenen Bedeutungen des Begriffes der Identität: die Identität als Zusammengehören von Sein und Denken ist nicht mehr ein Grundzug des Seins,40 sondern das Sein selbst ist ein Grundzug dieser Identität, insofern es zusammen mit dem Denken in dieser Identität gehört. Wie wir schon betont haben, gilt der Satz der Identität als »das oberste Denkgesetz«, und geradeso gilt der Satz nur, insofern er zugleich ein Gesetz des Seins sei. Die Bedeutung des Wortes »Identität«, die Heidegger unterstreichen möchte, ist demnach nicht willkürlich, sondern er gilt hinsichtlich einer umfangreicher philosophische Perspektive, deren teilweise Entwicklung der spekulative Idealismus ist. Deswegen betont Heidegger nicht die Inkonsequenzen der Behandlung Fichtes, was die Möglichkeiten der theoretischen Verwendung der Formeln innerhalb der Wissenschaftslehre betrifft,41 sondern er erörtert bezüglich der Anfänge des abendländischen Denkens gerade die ursprüngliche Bedeutung jenes Begriffes der Selbigkeit (to autó), der auf der Grundlage jeder Wissenschaft(slehre) spielt.


  1. Vgl. Fichte, J. G., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (GA), I, 2, 281: 11-15. ↩︎

  2. Vgl. GA I, 2, 264: 7-9. ↩︎

  3. Vgl. GA I, 2, 262: 17. ↩︎

  4. Bei Fichte würde dieser Satz lauten: “repraesento sum, ergo sum”. ↩︎

  5. Vgl. GA I, 2, 263: 1-2. ↩︎

  6. Friedrich Jacobi wird dasselbe bezüglich des Atheismusstreites aussagen. ↩︎

  7. Wo “Philosophia practica vel moralis” aus “imaginatio, adpetitus, adfectus, … ” und so weiter, bestimmt wurde. ↩︎

  8. Der Zeugnisablegung des dänischen Dichters J. Baggesen, der Fichte in Zürich traf, nach. ↩︎

  9. Vgl. GA I, 2, 259: 4-7. ↩︎

  10. Vgl. GA I, 2, 259: 8-9. ↩︎

  11. Vgl. GA I, 2, 261: 7-8. ↩︎

  12. Vgl. Pöggeler, O., Der Denkweg Martin Heideggers, 4. Auflage, Neske, Stuttgart, 1994; S. 135. ↩︎

  13. Vgl. Heidegger, M., Über den Humanismus, 10. Auflage, Klostermann, Frankfurt a. M., 2000; S. 23. ↩︎

  14. Vgl. GA I, 2, 255: 25; Kursiv von uns. ↩︎

  15. Vgl. Stelzner, W., Selbstzuschreibung und Identität in: Hogrebe, W. (Hrsg.), Fichtes Wissenschaftslehre 1794. Philosophisches Resonanzen, 1. Auflage, Suhrkamp, Frankfurt a. M., 1995; S. 127. ↩︎

  16. Vgl. GA I, 2, 256: 27-28. ↩︎

  17. Vgl. GA I, 2, 257: 26-28. ↩︎

  18. Vgl. GA I, 2, 257: 33; Kursiv von uns. ↩︎

  19. Vgl. Heidegger, M., Identität und Differenz, 11. Auflage, Neske, Stuttgart, 2001; S. 16. ↩︎

  20. Vgl. GA I, 2, 258: 6. ↩︎

  21. Vgl. GA I, 2, 258: 19-20; Kursiv von uns. ↩︎

  22. Zugleich betrifft das theoretische Vorhaben Fichtes gerade eine Gründung der Philosophie bezüglich einer Tathandlung↩︎

  23. Vgl. GA I, 2, 259: 8-9. ↩︎

  24. Vgl. GA I, 2, 260: 29-30. ↩︎

  25. Vgl. GA I, 2, 260: 20-21. ↩︎

  26. Vgl. GA I, 2, 260: 33. ↩︎

  27. Vgl. GA I, 2, 261: 3. ↩︎

  28. Vgl. Stelzner, W., Selbstzuschreibung, S. 127. ↩︎

  29. Ibidem↩︎

  30. Vgl. Stelzner, W., Selbstzuschreibung, S. 130. ↩︎

  31. Kein empirischer Idealismus. ↩︎

  32. Vgl. Stelzner, W., Selbstzuschreibung., S. 131. ↩︎

  33. Idem, S. 128. ↩︎

  34. Vgl. Pöggeler, O., Denkweg, S. 150. ↩︎

  35. Sowohl G.W. Leibniz als auch C. Wolff wollten die Philosophie hinsichtlich dieses Gesetzes begründen. ↩︎

  36. Vgl. Heidegger, M., Identität, S. 10. ↩︎

  37. Idem, S. 11; Kursiv von uns. ↩︎

  38. Ibidem↩︎

  39. Vgl. Pöggeler, O., Denkweg, S. 146. ↩︎

  40. Wie bei Fichte. ↩︎

  41. Wie man jedoch aus einem logischen Standpunkt machen könnte. ↩︎