Unterwegs zum Sein. Über die Sprachontologie Heideggers

A Francesca, come allora (2001-2004)

1. Immer noch über die Geschichte der Seinsvergessenheit. Ein Vorwort

Die Philosophie Martin Heideggers hat sich in einer Zeitspanne von fünfzig Jahren entwickelt, aber nicht vollentwickelt. Diese Überlegung ist daher stets unterwegs, wie Gianni Vattimo auch betont hat. Deshalb könnte solche Philosophie zusammenhangslos scheinen, weil sie nach dem Anschein urteilt, dass der Denkweg Heideggers sehr reich an Meinungsänderungen sei, und es auch sehr viele selbstkritische Anlässe, so auch schweigsam Pausen, gibt. Das ist aber, wie vorausgesetzt, nur der Anschein. Darüber denken wir, dass gerade diese schweigsame Phasen seines Denkens, die wesentlichen Zeichen der Entwicklung seiner Philosophie enthalten. Wir wollen deshalb unsere Bemerkungen über das Nachdenken Heideggers zur Sprache aus einem Werk, das die Vorträge der fünfziger Jahre voraussetzt, und während der schwierigen Periode des Lebens Heideggers geschrieben wurde, entwickeln. Dieser Text ist der Brief über den Humanismus (1947).

Um diese Philosophie im ganzen zu verstehen, ist solche Annäherungsweise notwendig. Heidegger ist kein üblicher Philosoph unserer Zeit, sondern ein Autor, dessen philosophischer Beitrag eine Kehre innerhalb der Geschichte des abendländisches Denkens bedeutet. Wie Günter Figal unterstrichen hat, sähe die Philosophie des 20. Jahrhunderts ohne Heidegger anders aus:

Ohne ihn wäre der Existentialismus Jean-Paul Sartres ebensowenig möglich gewesen, wie die Ethik von Emmanuel Lévinas; Hans-Georg Gadamer hätte seine philosophische Hermeneutik ohne Heidegger nicht entwickelt, Michel Foucault ohne die Anregung durch Heidegger anderes geschrieben, und Jacques Derridas Dekonstruktivismus wäre ohne die Auseinandersetzung mit Heidegger nicht entstanden.1

Deshalb stellt der Philosoph aus Messkirch den Schwerpunkt der Zeitgenössischen Philosophie dar, weil sie ohne ihn unergründlich wäre. Der obengenannte Satz von Figal hat aber auch einen Bezug zum Existentialismus Sartres. Gleichzeitig ist der französische Philosoph der bedeutendste, aber nicht das einzige, polemische Ziel des Briefes Über den Humanismus, der sehr viele Inhalte, die dann im Unterwegs zur Sprache (1957) zusammengeflossen sind, vorwegnimmt. In diesem Buch, das 1947 erschienen ist, fasst Heidegger die Resultate seines Nachdenkens zusammen, wie es danach im Sein und Zeit bestimmt wurde und zugleich begründet er die Grundlagen auf folgende Überlegung. Der polemische Bezug zu Sartre verbirgt deswegen eine umfangreicher Kritik der ganzen metaphysischen Überlieferung, deren fruchtlose Umkehrung die Philosophie des französischen Autors darstellt. In Wahrheit sprach Sartre den Grundsatz des Existentialismus so aus: die Existenz geht der Essenz voran; deshalb nahm er existentia und essentia in dem herrkömmlichen Sinne der Metaphysik, die seit Plato die essentia voraus der existentia bestimmt hat. Trotzdem unterstreicht Heidegger, dass auf jeden Fall die Umkehrung eines metaphysischen Satzes ein metaphysischer Satz ist, damit dieser Satz von Sartre zusammen mit der Metaphysik in der »Vergessenheit der Wahrheit des Seins« bleibt. Gleichzeitig war metaphysisch aber sowohl die Haltung von Novalis als auch die von Wilhelm von Humboldt, dessen 1836 erschienene Schrift Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts in dem Sinne der Philosophie von Leibniz geschrieben wurde. Diese anfänglichen Zeichen von uns zum Humanismusbrief wären schon genug, um die Beziehung, die streng vertraulich das ganze Nachdenken Heideggers überquert, zu betonen.

2. Versuch einer ontologischen Auslegung der Vorträge Unterwegs zur Sprache

Was heisst aber die obengenannte Wendung: »Wahrheit des Seins«? Um diese Frage zu verstehen, sollten wir einen »Schritt zurück« innerhalb der Philosophie Martin Heideggers machen. Der 1935 stattgefundene Vortrag über die Einführung in die Metaphysik, der mit den beiden Seminaren Was ist Metaphysik? und Nietzsche augenscheinlich verbunden ist, bestimmt unzweideutig die Metaphysik selbst als Geschichte des Seins. Besser gesagt: die Metaphysik als die Geschichte der Vergessenheit des Seins, weil sie seit dem Denken Platos überhaupt nicht mehr die Geschichte der Wahrheit ist, sondern »jene Geschichte, in der das Denken das Sein als die Wahrheit des Seienden denkt, seinem ganzen Ansatz nach aber die Wahrheit des Seins selbst ungedacht lassen muß«.2 Solche besondere Bestimmung der abendländischen Philosophie wird im Laufe der Zeit innerhalb des ganzen Nachdenkens Heideggers andauernd bleiben, da es irrtümlich wäre, wenn man sie entweder nicht beachten, oder aus dem Kontext seines Denkens, dessen Entwicklung eine bedeutsame Beziehung dadurch offenbart, extrapolieren würde. Um solche Beziehung zu erklären, können wir betonen, dass im selben Jahr, in dem Heidegger die Vorlesungen, die Einleitung in die Metaphysik heisst, hielt, auch der sehr bekannte Vortrag Der Ursprung des Kunstwerkes,3 dessen Inhalte zum ersten Mal eine non-metaphysische Bestimmung des Begriffes des Seins gaben, gehalten wurde. Das heisst: das Ereignis; das ist aber zugleich das theoretische Ergebnis zu dem die sechs Vorträge über die Sprache, die im Unterwegs zur Sprache versammelt wurden, gelangen.

Solche Bemerkungen beweisen die anfängliche Meinung von uns, nach der die Philosophie Heideggers, die eigentlich weder ein abgeschlossenes System noch ein vernunftwidriges Denken ist, sondern sie ist ein reifer Versuch, um die tausendjährige Voraussetzungen der europäischen Philosophie, die nicht mehr Denken ist, sondern nur Wissenschaft, zu überholen. Wir sollten aber zum Brief Über den Humanismus zurückgehen, dessen erste Seiten bemerken, dass seit der Sophistik und Plato die Philosophie versucht, vor den Wissenschaften ihre Existenz zu rechtfertigen. Deswegen meint sie, diese Rechtfertigung dadurch sicher zu bekommen, dass sie sich selbst zum Range einer Wissenschaft erhebt. Trotzdem ist dieses Bemühen die Aufgabe des Wesens des Denkens, deshalb betont der Humanismusbrief das Bedürfnis einer Rückgewinnung des Denkens in seiner bildenden Verwandtschaft mit dem Sein. Dieses Erfordernis ist notwendig, weil in der Zeit der Technik, das Sein als eigentümliches Element des Denkens preisgegeben wurde. Also reicht dieser technische Ansatz auf die platonischen und aristotelischen Philosophien zurück, die Heidegger oft, obwohl manchmal unmittelbar, beurteilt. Trotzdem ist das Denken weder technisch noch theoretisch, sondern es ist das, was den Bezug des Seins zum Wesen des Menschen vollbringt. Deshalb ist es das einfachste und zugleich das höchste, weil nur das vollbringbar ist, was schon ist, und was eigentlich ist, ist das Sein. Einfach ist aber auch das Wesen der Sprache, das in der Nähe von uns liegt, obwohl wir immer unterwegs zu ihm sind.

Seit dem Anfang des Humanismusbrief verstehen wir, dass es eine Beziehung zwischen Denken, Sprache und Sein gibt, weil »in dem Denken das Sein zur Sprache kommt«.4 Solches Verhältnis wurde danach im Unterwegs zur Sprache entwickelt, obwohl in diesem 1947 Brief das erste Mal der Ausdruck: »die Sprache ist das Haus des Seins«, scheint; dann bringt aber Heidegger vor, dass in der Behausung der Sprache, deren Wächter die Denkenden und Dichtenden sind, der Mensch wohnt. Mit dem Ausdruck »Denkenden und Dichtenden« haben wir einen weiteren Maßstab, der im Unterwegs zur Sprache wiedererlangt wurde, gefunden. In der heutigen Zeit der Technik, in der das eigene Element des Denkens verlorengegangen ist, und die Sprache als bloßes Instrument der Menschheit bedacht wird, haben aber die beiden, Denken und Dichten, ihren Grundzug verloren. Das Denken ist deshalb ursprünglich das Denken des Seins, wo der Genitiv ein Zweifaches sagt: das Denken ist des Seins, weil es vom Sein »ereignet« und dem Sein gehört; zugleich gehört das Denken dem Sein, denn es hört auf das Sein selbst. Trotzdem sind »Hören« und »Ereignen« auch die wichtigsten Wörter, die wir im Unterwegs zur Sprache finden können. Bevor wir die Vorträge über die Sprache erforschen, ist es aber jetzt wichtiger, noch etwas zu vertiefen. Diejenige Beziehung zwischen Denken, Sprache und Sein, die der Humanismusbrief umreißt, enthüllt, dass der Verfall der Sprache eigentlich aus einer Gefährdung des Wesens des Menschen kommt. Sowie das Denken, das wegen der Vorherrschaft der Metaphysik der Subjektivität unaufhaltsam aus seinem Element herausgefallen ist, verweigert die Sprache uns noch ihr Wesen. Sie sollte kein Instrument sein, sondern das Haus der »Wahrheit des Seins«. Deshalb ist die Sprache in ihrem Wesen weder die Äußerung eines Organismus noch der Ausdruck eines Lebewesens; deswegen lässt sie sich nicht vom Zeichencharakter und auch nicht aus ihrem Bedeutungscharakter bestimmen.

Also bleibt die Sprache nach der Auslegung Aristoteles »geborgen«, in der die Buchstaben die Laute zeigen, die Laute die Erleidnisse in der Seele zeigen, und diese Erleidnisse zeigen die Sachen, die der Seele erreichen. Dies ist eine metaphysische Bestimmung der Sprache, weil sie aus der Überlegung des Seins als bloße Anwesenheit kommt und um den Grund der Sprache selbst zu finden, verbirgt sie ihre Wesen; gleichzeitig fängt sie aus einer beschränkenden Bestimmung des Menschen als animal rationale an, nämlich als die Einheit von Leib, Seele und Geist. Trotzdem bleibt in dem Grund des so verstandenen Menschen die »Ek-sistenz«, die im Sein und Zeit (1927) als das wahres Wesen vorgestellt wurde, zusammen mit dem Bezug der Wahrheit des Seins zum Mensch, verborgen; damit verdeckt die metaphysische Auslegung der Sprache deren seinsgeschichtliches Wesen. Deshalb, wie Heidegger im Humanismusbrief sagte, sollten wir über das Wesen der Sprache aus der Entsprechung zum Sein nachdenken. Die Thesen Aristoteles wurden aber deutlicher in der letzten Abhandlung des Unterwegs zur Sprache bestritten, wo Heidegger zuerst aus der Voraussetzung, dass wir »die Sprache als die Sprache zur Sprache« bringen sollen, anfängt, und dann die Überlegung Aristoteles mit derjenigen von Humboldts vergleicht, dessen Beitrag zur Auslegung der Sprache jedoch entscheidend ist, obwohl keineswegs wesentlich, weil er zunächst der Darstellung der geistigen Entwicklung des Menschengeschlechtes gewidmet ist.

Aristoteles und Wilhelm von Humboldt stellen deshalb die zwei Enden einer philosophischen Überlieferung dar, die auch Novalis umfasst und die auf der Bestimmung des Seins als bloße »Vorhandenheit« beruht. Solche Tradition ist heute durch die Zeit der Technik, in der die Sprache als bloße Information vermindert wird, zusammengefasst. Deshalb spricht man heute sowohl über die »formale« Sprache als auch über die »natürliche« Sprache, die nicht existieren kann, weil jede Sprache ursprünglich geschichtlich ist und deswegen wird der wesentliche Begriff des Ereignisses, das die Sage, in der jede Sprache des Menschen ereignet ist, zum Wort trägt, vergessen. Trotzdem ist die in seiner Bedeutungsfülle verstandene Sprache stets anders als die physisch-sinnliche Auslegung der phonetischen Ausdrücke, weil die Sprache als verlautender und geschriebener Sinn das, was das bloß Sinnliche ist, ständig übersteigt. Also ist sie ursprünglich übersinnlich. Um dem Wort die Reichtum seines Wesens wiederzugeben, das heisst um die Sprache zur Sage zurückzubringen, soll deshalb der Mensch zuvor lernen, ohne Namen zu existieren. Er muss, bevor er spricht, sich erst vom Sein wieder ansprechen lassen, jedoch auf die Gefahr, dass er unter diesem nichts zu sagen haben kann; nur so wird er in der Nähe des Seins zurückkommen. Dies ist aber die Erfahrung eines Verzichtes, den nach der Auslegung Heideggers der Dichter erprobt, und die wir danach bemerken werden. Der Versuch den Menschen wieder in sein eigentliches Wesen zurückzuführen nennt Heidegger den wahren »Humanismus«, damit meint er: »sinnen und sorgen, dass der Mensch menschlich sei und nicht un-menschlich, inhuman, das heißt außerhalb seines Wesens«. Trotzdem fragt sich Heidegger auch, worin die Menschlichkeit des Menschen besteht; Antwort: sie ruht in seinem Wesen. Diese Frage erinnert aber an einen Satz, der am Anfang von Unterwegs zur Sprache auch steht: »es ist noch zu bedenken, was heißt: der Mensch«.

Die Antwort, die Heidegger aus den Seiten des Humanismusbrief entwickelt, zeigt noch einmal eine Kritik des metaphysischen Grundes des Humanismus selbst, weil jede Art des Humanismus anerkennt, dass die »Humanitas« des Mensch aus dem Hinblick auf eine »schon bestimmte« Auslegung der Natur, der Geschichte und des Weltgrundes, nämlich der Seienden in dem Ganzen, festgesetzt wird. Deshalb gründet jeder traditionelle Humanismus, wenn wir den Ansatz Heideggers als einen Humanismus in seinem äußersten Sinn auslegen können, in einer Metaphysik. Metaphysisch ist aber jede Bestimmung des Wesens des Menschen, die schon die Auslegung der Seienden ohne die Frage der Wahrheit des Seins voraussetzt; diese vergessene Frage sollte den Bezug des Seins auf den Mensch wiederaufnehmen. Im Gegensatz zu diesem gilt deshalb der Mensch als »animal rationale«, wo diese Bestimmung, wie Heidegger selbst betont hat, nicht nur eine lateinische Übersetzung des griechischen Ausdrucks »zóon lógon échon« darstellt, sondern schon eine neue metaphysische Auslegung. Trotzdem denkt die Metaphysik weder das Sein als solches noch den Unterschied zwischen Sein und Seienden, den Heidegger im Vom Wesen des Grundes schon erörtert hatte; deswegen fragt sie nicht nach der obengenannten »Wahrheit des Seins«, oder wie das Wesen des Menschen zu dieser Wahrheit gehört.

Gleichzeitig hat die Metaphysik diese Grundfrage noch nicht bestimmt, weil sie als Metaphysik keine Grundfrage stellen kann. Andererseits wäre eine Sinnesänderung der Sprache, deren Grenzen die Vervollständigung des »wirkungsmächtigste und systematisch am besten ausgearbeitete«^[5] Buchs Heideggers, das 1927 erschienene Sein und Zeit, hinderten, gebraucht, insofern das Sein noch einmal als das zu Denkende gemeint wird. Die Sprache stellt die Behausung in der das Wesen des Menschen als das Ek-statische wohnt dar, nachdem der Mensch den Anspruch vom Sein, der keine Metaphysik begreifen kann, gehört hat. Deshalb scheint die Sprache nicht mehr nur die Äußerung eines Organismus, wie bei Aristoteles, aber sie ist auch nicht der Ausdruck eines Lebewesens. Weil die Sprache eigentlich die lichtend-verbergende Ankunft des Seins selbst ist, lässt sie sich nicht einfach bestimmen. Der Mensch der Moderne muss, um die Dimension der Wahrheit des Seins zu erwerben, erst einmal verstehen, wie das Sein den Menschen angeht und wie es ihn durch die Sprache in Anspruch nimmt.

Wenn wir aber fragen: was ist das Sein? Lautet die einzig mögliche Antwort: »Es ist es selbst«.5 Um aber das Verhältnis zwischen der Sprache und dem Sein deutlicher zu betonen, sollten wir Heidegger selbst hören: »Das Sein — das ist nicht Gott und nicht ein Weltgrund. Das Sein ist wesenhaft weiter denn alles Seiende und ist gleichwohl dem Menschen näher als jedes Seiende […]. Das Sein ist das Nächste. Doch die Nähe bleibt dem Menschen am fernsten«.6 Jetzt beobachten wir, dass Heidegger dasselbe über die Sprache nach einigen Jahren gesagt hat: »Wir wollen das Wesen der Sprache nicht auf einen Begriff bringen, damit dieser eine überall nutzbare Ansicht über die Sprache liefere, die alles Vorstellen beruhigt«;7 deshalb sollten wir über die Sprache selbst und nur über sie nachdenken, weil die Sprache selbst die Sprache ist. Dieser Satz meint demnach nicht, wie die Logik anzeigen würde, eine leere Tautologie: »zweimal nur das Gleiche sagen: Sprache ist Sprache, wie soll dies uns weiterbringen? Wir wollen jedoch nicht weiter kommen. Wir möchten nur erst einmal eigens dorthin gelangen, wo wir uns schon aufhalten«.8 Deswegen ist die Sprache, gleich als das Sein selbst, das Nächste, obwohl diese Nähe immer am fernsten bleibt. Gleichzeitig können wir ein anderes Anzeichen in Kürze finden, weil wir gelesen haben, dass eine Erörterung der Sprache meint, uns an den »Ort« ihres Wesens zu bringen; das heißt: das Ereignis, das Leitwort nämlich der Philosophie Martin Heideggers. Der erste Teil von Identität und Differenz, der Der Satz der Identität heisst und den Text eines Vortrages aufhält, der in der Universität Freiburg im Juni 1957 gehalten wurde,9 führt eine bedeutende Bestimmung des Begriffes des Ereignisses vor.

Das ist aber nicht der Ort, um eine Erklärung dieser schwierigen Grundanschauung zu versuchen. Trotzdem werden wir noch über sie sprechen, wenn wir den Begriff des »Geviert der Vier« erörtern werden und zugleich ist es wichtig noch etwas zu bemerken: Parmenides dachte, dass Denken und Sein das Selbe waren (to gar autó noein esti te kai einai); die Frage nach dem Sinne dieses Selben ist deshalb die Frage nach dem Wesen der Identität, die die Metaphysik als einen Grundzug im Sein bestimmt hat. Deswegen gehört das Sein mit dem Denken in eine Identität, deren Wesen aus jenem Zusammengehörenlassen stammt, das wir das Ereignis nennen können: »das Wesen der Identität ist ein Eigentum des Er-eignisses«.10 Es ist dann der Abgrund, in dem das Wesen »dessen, was als Sprache spricht, die einmal das Haus des Seins genannt wurde«,11 schwingt. Die Welt des Ereignisses ist die Welt des Endes der Metaphysik, indem nun unmöglich ist, das Sein noch als bloße Anwesenheit zu denken, damit wir das Sein selbst nur als Er-eignis aufnehmen können. Dieser Begriff, der in der Philosophie Martin Heideggers eine im höchsten Grad wichtige Bedeutung bekommt wird, mit einer Erörterung seiner Sprachontologie deutlicher. Gianni Vattimo sagte, dass dieses Wort sowohl wichtig für unsere Zeit ist, als auch die Begriffe des lógos auf griechisch und »Tao« auf chinesisch entscheidend waren.12 Andererseits stellt sich eine Beziehung zum lógos wesentlich gerade innerhalb der Vorträge heraus, die Heidegger im Unterwegs zur Sprache versammelt hat.

Nach dieser langen Voraussetzung verstehen wir, dass die Vorträge Heideggers über die Sprache, Fortsetzung einer umfangreicheren und schon angefangenen Untersuchung sind, ebenso ist die Etappe durch den Denkweg Heideggers entscheidend, weil sowohl das Unterwegs zur Sprache als das Manifest einer besonderen Sprachphilosophie neben anderen zu bestimmen, als auch solcher Text aus dem Kontext seines Werkes herauszuziehen, fehlerhaft wäre. In Wahrheit führt Heidegger zur Sprache des Gedichtes durch den obengenannten Vortrag, der Der Ursprung des Kunstwerkes heißt und 1935 gehalten wurde, in dem er das Kunstwerke (im vorliegenden Fall: die Dichtung) als den Ort bestimmt hat, wo diejenige Wahrheit sich ereignet, die die Metaphysik vergessen hat. Das Kunstwerk stellt die »Offenheit« der Wahrheit dar, weil es nicht die Wahrheit in ihren Ganzheit ausdrückt, sondern es bewahrt solche ursprünglich verborgenen Aspekt der Wahrheit: das bedeutet, diejenige Dunkelheit aus dem jede Offenbarung kommt und die die Sprache selbst durch die Dialektik zwischen An- und Abwesenheit erhält. Deshalb scheint die Wahrheit in dem Kunstwerk nicht nur als »Offenbarung«, sondern es bleibt zugleich abgelegen (»re-velatio«): Heidegger bestimmt dieses Verhältnis als den Konflikt zwischen Himmel und Erde innerhalb des Kunstwerkes.

Wir haben die Wörter »Offenbarung« und »revelatio« benutzt, um die religiöse Bedeutung des Nachdenkens Heideggers zu unterstreichen. Um dieses Thema zu entwickeln, sind diese Seiten von uns zu wenig; deshalb wollen wir nur bemerken, dass sehr viele Forscher über die theologischen Wurzeln der Philosophie Heideggers, der gar nicht Philosoph werden sollen hatte, »sondern Theologe«,13 gesprochen haben. Ein einflussreicher Philosoph aus Italien, Alberto Caracciolo, sagte, dass wir zu den wichtigsten Büchern der heutigen Religiöse Literatur, sowohl Unterwegs zur Sprache als auch den Römerbrief Karl Barths, zählen müssen. Das meint, dass das Denken Heideggers sowohl kompliziert als auch irgendwie noch nicht verarbeitet ist; gleichzeitig können wir in Bezug auf solche Angaben der religiösen Auslegung des späteren Denkens Heideggers und der Dialektik zwischen »Himmel und Erde«, die Vorträge, die Heidegger selbst unter dem Titel Unterwegs zur Sprache zu einem Band gesammelt hat, beachten. Der Beitrag, der den Text eröffnet, hat einen bedeutungsvollen Titel: »die Sprache«. Es handelt sich um einen Vortrag, der im Oktober 1950 gehalten und im Februar 1951 wiederholt wurde, und dessen Struktur die Grundzüge der anderen Vorträge, die im Buch über die Sprache versammelt sind, irgendwie bestimmt. Trotzdem fängt Heidegger mit einer Behauptung an, die er jedoch in Kürze umkippt, um eine Auslegung der Sprache, die andersartig als die üblichen Meinungen sein kann, vorzuschlagen. Wir haben solch einen Versuch einer Kritik aller Festsetzungen im Humanismusbrief gefunden, obwohl er durch die Kritik des »man sagt« schon im Sein und Zeit eingewurzelt ist. Dieser anfänglich Satz lautet: »der Mensch spricht«; dessen Umkehrung Heidegger so bestimmt: die Sprache (selbst) spricht. In der Mitte zwischen solchen abwechselnden Auslegungen der Sprache liegt die Widerlegung der zwei größten Paradigmen, die eine Feststellung der Sprache versucht hatten: das von Aristoteles und das von W. von Humboldt.

Der Großteil des Vortrages, der Unterwegs zur Sprache heißt, und gibt deshalb dem ganzen Buch den Titel, ist von Humboldt gewidmet: Heidegger macht das um die Unterscheidung zwischen der metaphysischen Bestimmung der Sprache, die wir bekommen, aber noch nicht kritisiert haben, und den Grundlagen eines neuen Verhältnisses mit ihr, zu unterstreichen. Dagegen sind die meisten Bezüge des Briefes Über den Humanismus Aristoteles gewidmet; deswegen sind Wilhelm von Humboldt und Aristoteles die wichtigsten Empfänger einer Kritik, die Heidegger durch die Instrumente der Dichtung entwickelt. Warum wählt aber Heidegger die Sprache der Dichtung, um »die Sprache« überhaupt zu erörtern? Und dann: wozu kritisiert er durch die Dichtung die philosophische Bestimmungen der Sprache? Das ist kein Versuch, um die Schwierigkeiten des Argumentes durch eine Flucht im Bereich einer unbestimmten (d.h. dichterischen) Sprache zu vermeiden. Unserer Meinung nach findet sich die Antwort hierzu schon in dem Humanismusbrief, wo geschrieben wurde, dass dieselbe Zeit, in der das Denken zur Philosophie wurde, sie sich zur Wissenschaft (episteme) verwandelt hat und diese zu einer bloßen Sache der Schule wurde. Deshalb bringt Heidegger vor: »im Durchgang durch die so verstandene Philosophie entsteht die Wissenschaft, vergeht das Denken«.14 Und später: »Es ist an der Zeit, dass man sich dessen entwöhnt, die Philosophie zu überschätzen und sie deshalb zu überfordern«;15 die jetzige Weltnot braucht deswegen weniger Philosophie in dem obengenannten Sinne der Metaphysik, aber mehr Achtsamkeit des Denkens, sowie weniger Literatur, aber viel mehr Pflege des Buchstabens. Deshalb könnte Heidegger nicht durch die Instrumente der Philosophie, die gerade das Denken vernichtet hat, zu einer denkenden Erfahrung der Sprache gelangen. Darüber sagt der Philosoph aus Messkirch, dass die Dichtung derselben Seinsfrage in derselben Weise gegenüber wie dem Denken steht, da er wieder an seine Kritik der Bestimmungen Aristoteles denkt und vorbringt: »aber immer noch gilt das kaum bedachte Wort des Aristoteles in seiner Poetik, dass das Denken wahrer sei, als das Erkunden von Seiendem«.16

Gleichzeitig scheint das Denken selbst wesentlich mit dem Dichten verbunden, innerhalb der Forschung über die Wahrheit des Seins, die die Metaphysik immer vergessen hat, weil »alles einzig daran liegt, dass diese Wahrheit zur Sprache kommt, und dass das Denken in diese Sprache gelange«.17 Deshalb, wie Heidegger am Anfang des Humanismusbrief sagt, ist dem »Denken und Dichten« die Befreiung der Sprache aus der Grammatik, deren Regeln unwesentlich in Bezug auf sie sind, vorbehalten. Die reine Art der Sprache ist aber diejenige der Dichtung: im Unterwegs zur Sprache sagt deshalb Heidegger, dass die Sprache selbst spricht und um ihr Sprechen zu finden, müssen wir das Gesprochene erforschen, weil sich darin das Sprechen offenbart. Trotzdem hört in dem Gesprochene das Sprechen nicht auf, weil es darin geborgen ist, damit jede metaphysische Festsetzung der Sprache, die sie durch eine besondere Formel bestimmen will, ungeeignet ist. Wir sollten ein rein Gesprochenes wählen, wo solches nur jenes ist, in dem »die Vollendung des Sprechens, die dem Gesprochenen eignet, ihrerseits eine Anfangende ist«.18 Die Dichtung, die Heidegger wählt, heißt Ein Winterabend, und wurde von Georg Trakl geschrieben. Wir wollen sie erkunden jedoch, nachdem wir einen bedeutenden Bezug auf einen Satz von Hamann berichtet haben. Im August 1784 schrieb er an Herder: »Wenn ich so bereit wäre wie Demosthenes, so würde ich doch nicht mehr als ein einziges Wort dreymal wiederholen müssen: Vernunft ist Sprache, lógos«.

Wir haben schon betont, dass oftmals im Denkweg Heideggers ein Bezug der Sprache mit beidem, Sein und Denken, scheint. Das Wort lógos, das Heidegger danach im Aus einem Gespräch von der Sprache wieder aufruft, um das orientalische Wort »Iki« zu erörtern, enthält diesen Bezug, dessen bedeutsame Erklärung wir in den Vorträgen über Das Wesen der Sprache finden können, die in der Universität Freiburg im Dezember 1957 das erste Mal gehalten wurden: »Dass jedoch der Versuch, eine Möglichkeit für eine denkende Erfahrung mit der Sprache zu bereiten, die Nachbarschaft zum Dichten aufsucht, geschieht keineswegs zum Notbehelf, sondern aus der Vermutung, dass Dichten und Denken in die Nachbarschaft gehören«.19 Um eine denkende Erfahrung mit der Sprache zu machen, somit suchen wir die Nachbarschaft in der Denken und Dichten (mit)wohnen. Solches ist aber wirklich das Thema, das in den Seiten des Briefes Über den Humanismus auftaucht, wo die Antwort zur Bedeutung des Wortes »Humanismus« sich mit der Seinsfrage kreuzt, die Heidegger immer seit Sein und Zeit (1927) vorgeschlagen hat. Der Kontrast gegen die Tradition der Metaphysik, die das Sein als bloße Anwesenheit (besser gesagt: »Vorhandenheit« ) bestimmt und es deswegen vergisst, bringt Heidegger zur Befragung, die die Nachbarschaft des Seins mit dem Mensch vorausschickt. Deshalb ist gerade diese Nachbarschaft (d.h. Einfachkeit) das Ziel, das die Philosophie, die immer in dem komplizierten Bezirk ihrer Formeln bleibt, verloren hat. Also denkt sie das Sein nicht; es ist, gleich wie die Sprache das Nächste, obwohl sie dem Menschen am fernsten bleibt.

Die Metaphysik gelang deswegen nicht zur Tiefe, sondern sie denkt nur das Seiende, weil sie weder das Verhältnis zwischen Sein und Seiendem (d.h. das Thema der »ontologischen Differenz« ) noch den Bezug zwischen dem Sein des Seienden und ihrer Existenz, die im Sein und Zeit als das Wesen des Menschen bestimmt wurde, ergreifen kann. Die Überwindung dieser Grenzen, um eine entscheidende Frage über die »Wahrheit des Seins« zu versuchen, braucht jedoch eine Sinnesänderung der Sprache selbst. Wir müssen aber die Sprache wieder nicht auf Grund der Metaphysik (Aristoteles, von Humboldt durch Leibniz, Novalis u. s. w.) bedenken, sondern auf Grund der Sprache selbst und zugleich auf Grund des Seins. Die Aufgabe der heutigen Menschen, die Heidegger im Humanismusbrief unterstreicht, betrifft sowohl das Sein, als auch die Frage über das Verhältnis, das sich durch die Sprache zeigt, des Seins mit ihm selbst. In diesem Kontext scheinen die beiden Bestimmungen der Sprache als Ausdruck und der Mensch als zóon lógon échon falsch, weil sie noch nicht nach dem Wesen des Menschen fragen und ziehen eine oberflächliche Antwort vor. Deshalb sagt man im Humanismusbrief, dass überall der Mensch um sich selbst als das animal rationale kreist, ausgestoßen aus der Wahrheit des Seins. Wir müssen deswegen wieder an das Sein durch eine neue Rücksicht der Sprache denken, die durch das Binom »Denken und Dichten« geschützt werden kann. Von diesem Bedürfnis aus beginnen starten die Vorträge, die wir unterwegs zu einer denkenden Erfahrung der Sprache gefunden haben.

Also »Denken und Dichten«: heute sind wir aber in beidem wenig erfahren (d.h. eine Kritik der traditionellen Grenzen der abendländische Philosophie), obwohl wir beiden kennen, weil sie uns als Philosophie und Dichtung bekannt sind. Diese Identifizierung zwischen »Philosophie-Dichtung« und »Denken-Dichten« lässt aber das zurückkommen, was man am Ende des Unterwegs zur Sprache sagt: dort kritisiert Heidegger noch einmal die Auslegungen der Sprache Aristoteles und von Humboldts, weil sie zusammen in der Geschichte der Seinsvergessenheit bleiben, darauf bringt Heidegger ein günstiges Urteil zum philosophischen Beitrag des deutschen Autors des 19. Jahrhunderts vor, dessen »tiefdunkle Blicke in das Wesen der Sprache zu bewundern wir nicht ablassen dürfen«.20 Deswegen gesteht Heidegger die Metaphysik als geschichtliches Schicksal ein, wie auch im Sein und Zeit und in der Einführung in die Metaphysik, um eine Sinnesänderung des Seins durch eine Kritik der metaphysische Bestimmung der Sprache vorzuschlagen, berichtet er manche Sätze Über di Verschiedenheit des Menschlichen Sprachbaues… (1836):

Ohne die Sprache in ihren Lauten, und noch weniger in ihren Formen und Gesetzen zu verändern, führt die Zeit durch wachsende Ideenentwicklung, gesteigerte Denkkraft und tiefer eindringendes Empfindungsvermögen oft in sie ein, was sie früher nicht besaß. Es wird alsdann in dasselbe Gehäuse ein anderer Sinn gelegt, unter demselben Gepräge etwas Verschiedenes gegeben, nach dem gleichen Verknüpfungsgesetzen ein anders abgestufter Ideengang angedeutet. Es ist dies eine beständige Frucht der Litteratur eines Volkes, in dieser aber vorzüglich der Dichtung und Philosophie.21

Gleichzeitig scheint dieses Binom mit dem Bezug zwischen Ding und Wort (d.h. das Verhältnis der Sprache überhaupt zu einem jeweils Seiendem), der die Dichtung, die Das Wort heisst und von Stefan George geschrieben wurde, darstellt und verbindet. Sobald wir solches Verhältnis bedenken, haben wir das Dichterische in das Nachbarliche eines Denkens aufgestellt. »Dieser jedoch, das Denken, vernimmt dabei nichts Fremdes. Denn mit das Früheste, was durch das abendländische Denken ins Wort gelangt, ist das Verhältnis von Ding und Wort, und zwar in der Gestalt des Verhältnisses von Sein und Sagen. Dieses Verhältnis überfällt das Denken so bestürzend, dass es sich in einem einzigen Wort ansagt. Es lautet: lógos. Dieses Wort spricht in einem zumal als der Name für das Sein und für das Sagen«.22 Diese Verbindung zwischen Ding und Wort wird im Text, der zuerst im Mai 1958 unter dem Titel Dichten und Denken. Zu Stefan Georges Gedicht: das Wort vorgetragen wurde, entwickelt.

Deshalb werden wir zu diesem Argument später noch einmal kommen. Trotzdem wollen wir nun ein anderes Verhältnis, das im Vergleich mit dem obengenannten »Ding-Wort« ergänzend scheint, betonen; das meint: dasjenige zwischen Welt und Dinge. Im Zentrum des ersten Vortrages gibt es eine Erwähnung zur Sage als das, was nennt, wo »nennen« das Rufen bedeutet, das in der Dichtung Ein Winterabend von George zu Dingen, die solche nur in dem Vergleich zur Welt sind, geht, um diese Dinge in den Bezirk des Menschen zu »bringen«. Als Heidegger diese Dichtung Georges untersucht, sagt er zuerst, dass das Gedicht durch drei Strophen geformt ist und dass ihre Inhalte verständlich sind, weil kein Wort sich findet, das »für sich genommen, unbekannt wäre«. Diese Bemerkung könnte unbedeutender scheinen, wenn wir keine Verbindung mit den Hinweisen des Briefes Über den Humanismus finden würden. Trotzdem sagt man am Ende dieses Briefes, dass die Dichtung die Aufgabe hat, die metaphysische Auslegung des Seienden zu ersetzen. Deshalb bestimmt Heidegger die Schicklichkeit des Sagens vom Sein, als dem Geschick der Wahrheit, als das erste Gesetz des Denkens und bringt danach drei Parameter vor, die mit dem obengenannten Gesetz verbunden sind: die Strenge der Besinnung, die Sorgfalt des Sagens und die Sparsamkeit des Wortes. Wegen der Angabe des 1947 erschienenen Briefes wählt Heidegger das Gedicht Trakls, das gleich wie die Gedichte von George »herrlich wie deutlich« ist; darüber bringt Heidegger vor: »Der Schneefall bringt die Menschen unter den in die Nacht verdämmernden Himmel. Das Läuten der Abendglocke bringt sie als die Sterblichen vor die Göttlichen. Haus und Tisch binden die Sterblichen an die Erde«.23 Die genannten Dinge versammeln sowohl Himmel und Erde als auch die Göttlichen und die Sterblichen, weil die Vier ein ursprünglich-einiges zueinander sind. Deshalb halten die Dinge das Geviert der Vier bei sich.

Was ist aber dieses »Geviert der Vier«? Und dann: inwiefern ist es wichtig in der Entwicklung der Philosophie Martin Heidegger? Das Geviert ist die Welt selbst, obwohl nicht im Sinn der Metaphysik: wie Otto Pöggeler gesagt hat, um die Welt als Geviert zu denken, sollten wir erkunden, wie Heidegger zu dieser Erfahrung der Welt gekommen ist. Antwort: »Er hat sie auf einem Weg erlangt, der mit der Frage nach dem Sein beginnt«.24 Wir entdecken deswegen, dass der Begriff des Weltgeviertes wie auch das Verhältnis zwischen Geviert und Dinge eine wichtigere Bedeutung innerhalb der Ontologie Heideggers enthält. Um diese theoretischen Handlungen zu erklären, brauchen wir tiefere Forschungen; was jedoch unser Bedürfnisse betrifft ist, dass unserer Meinung nach eine Abhängigkeit der sechs Vorträge zur Sprache von dem Humanismusbrief deutlicher scheint. Trotzdem sollten wir jetzt denselben Weg zurückgehen. Heidegger schlägt eine denkende Erfahrung vor, die ganz anders als die herkömmliche Auslegung der Sprache ist: um dieses Bedürfnis zu erfüllen, verlässt er sich auf das Sagen der Dichtung, weil die Sprache immer als Gesprochene scheint, und die Dichtung ist schlechthin die reine Weise solches Gesprochenen. Heidegger wählt eine Gedicht Trakls, obwohl dieser der Dichter ist, bleibt er sowohl hier als auch »bei jedem anderen großgeglückten Fall eines Gedichtes« unwichtig; damit wir verstehen können, warum Heidegger vorausgesetzt hat, dass nicht der Dichter spricht, sondern »die Sprache spricht«.

Wie Heidegger im Humanismusbrief gesagt hat, jedes wesentliche Sagen hört das, was die geheime Gemeinsamkeit, die das Wort lógos zeigt, von Sein und Sprache ist; die wichtigste Weise dieser wesentlichen Sagen sind »dichten« und »denken«, in dem Sinne, dass das Denken in seinem Sagen gerade das ungesprochene Wort des Seins zur Sprache bringt. Deswegen kommt das Sein zur geschichtlichen Sprache durch das Sagen der wesentlichen Denker, die stets nur aus einem Gedicht, das der Ort jeder »Erörterung« ist, dichten. Also schreibt Heidegger, dass die Größe eines Dichters sich bemisst, »inwieweit er diesem Einzigen so anvertraut wird, dass er es vermag, sein dichtendes Sagen rein darin zu halten«.25 Jeder wesentliche Denker sagt deshalb stets das Selbe, aber nicht das Gleiche. Das Selbe ist ein Begriff, der auch im Identität und Differenz entscheidend scheint und den Heidegger in Bezug auf Parmenides zurückruft, um das Verhältnis zwischen Denken und Dichten zu unterstreichen. In Wahrheit bleibt das Gedicht eines Dichters ungesprochen, weil weder die einzelnen Dichtungen noch ihr Gesamtes alles sagen können. Gleichzeitig spricht jede Dichtung aus dem Ganzen eines Gedichtes und sagt jedesmal dieses. Deshalb schlägt Heidegger eine »Erörterung« des Ortes des Gedichtes vor, womit der ursprüngliche Ort, der zu sich ins Höchste und Äußerste versammelt, gemeint ist. Dieser Ort versammelt aber nicht »wie eine abschließende Kapsel, sondern so, dass er das Versammelte durchscheint und durchleuchtet und dadurch erst in sein Wesen entläßt«.26 Otto Pöggeler betonte den Unterschied zwischen dem heideggerschen Begriff der Erörterung und dem Erklären, das aus den Bestimmungen der Metaphysik besteht, und deshalb im 19. Jahrhundert schlechthin zur Methode der Wissenschaften, sowohl der Naturwissenschaften als auch der eigentlichen Geisteswissenschaften, bestimmt wurde. Heidegger ist deshalb fern von dieser Methode, weil, wie man im Aus einem Gespräch von der Sprache sagt, ist seine Auslegung der Sprache abwechselnd im Vergleich zur philosophischen Tradition, insofern die Sprache von Heidegger durch ihre Verhältnis zum Wesen des Seins, nämlich zum »Walten der Zwiefalt« bestimmt wird. Diese Differenz ist hier gleich als diejenige »Differenz«, die Heidegger sowohl im Vom Wesen des Grundes als auch im ersten Beitrag des Unterwegs zur Sprache besprochen hat, bestimmt.

Wir werden über diese Begriff in Kürze kommen; zuerst fragen wir aber wie die Sprache in dem Gedicht spricht? Um diese Frage zu antworten, sollten wir noch einmal an das erinnern, was Heidegger selbst unterstrichen hat: das Proprium der Sprache, d.h. ihre Grundbedingung, ist, dass sie durch das Wort nennt. Deshalb ruft das Nennen sein Gerufenes, um es von einer anfänglichen Ferne näher zu bringen. Das bedeutet aber, dass der Ruf Ferne und Nähe, deren Wesen die Bewegung des »Gegen-einander-über der Gegenden des Weltgeviertes«^[28] ist, durch das Gerufene verbindet; was angerufen wird, ist aber etwas, was nicht hier liegt, sondern dort. Besser gesagt: es ist weder etwas Anwesendes noch etwas ab-solut Abwesendes, wenn das wäre, könnte es nicht angerufen werden. Darüber bleibt trotz des Rufes die Entfernung unverändert, weil »welche Anwesenheit ist die Höhere, die der Vorliegenden oder die des Gerufenes? «.27 Deshalb finden wir zwei verschiedene Arten des Seins, die jedoch relativ zueinander bleiben: über dieser Zweifachkeit spielt die Dialektik, die sehr wichtig innerhalb des Denkens Heideggers ist, zwischen An- und Ab-wesenheit. Das Gerufene, das sich im rein Gesprochenen der Dichtung findet, liegt gerade zwischen der obengenannten Nähe und Ferne, sowie zwischen An- und Ab-wesenheit. Trotzdem ist dieses Gerufene selbst nicht verständlich als ständige Anwesenheit, d.h. in dem metaphysischen Sinn des Wortes, weil im Ruf noch immer die Ferne gehalten ist. Gleichzeitig scheint diese Bestimmung des Gerufenen gleich als diejenige, die im Der Ursprung des Kunstwerkes bestimmt wurde, um das Kunstwerk zu erörtern. Nach der Auslegung Vattimos ist es nur in Bezug auf die Ergebnisse dieses Vortrages möglich, zum Begriff des Ereignisses, als die erste non-metaphysisch Auffassung des Seins, zu gelangen. Was die Inhalte dieses Vortrages über das Kunstwerk betrifft, sagt man, dass jedes Kunstwerk keine äußere Welt ausdrückt, sondern es selbst gründet eine Welt in dem Sinne, dass es Ausdruck der Wahrheit (als a-letheia) ist, damit das Kunstwerk eine Welt weder nur öffnet noch nur erleuchtet, sondern es bewahrt, während dieser Öffnung, der wesentliche Aspekt jeder Öffnung der Wahrheit: die Dunkelheit, die die Metaphysik vergessen hat, aus dem jeder Offenbarung kommt.

Gleichzeitig ist das rein Gesprochene weder mehr als das bloßes Zwischen zwischen An- und Ab-wesenheit noch ein absolutes Ankommen von etwas, was vom Bezirk des Nähe-Ferne Binoms kommt. Demgegenüber ist das rein Gesprochene nur ein Ankommenlassen, das die wahre Erfahrung von An- und Ab-wesenheit darstellt, wo gerade diese Bestimmung die Vorrangstellung des Hörens zum Sagen innerhalb der heideggerschen Auslegung der Sprache erklärt. Die Enthaltung von Heidegger einer beliebigen (metaphysischen) Feststellung, trägt ein Begriff des epoché, deren eigentlicher Ort die Sprache ist; dieser Begriff ist sowohl eine Absage jeder beschränkenden Bestimmtheit, als auch Schutz der authentisch dialektischen Erfahrung, die das »rein Gesprochene« (d.h. die Dichtung) darstellt. Sowohl im Humanismusbrief als auch in dem Vortrag, der Aus einem Gespräch von der Sprache heißt, bringt Heidegger vor, dass das Binom »Dichten-Denken« höher ist, als die Gültigkeit der Wissenschaften, weil dichten und denken »freier« sind, in dem Sinne, die Dichtung: »lässt das Sein -sein«.

Was ist aber das obengenannte Gerufene, das in dem Gedicht liegt? Es ist das Wesentliche, das wir durch das Verhältnis zwischen Welt (als das »Geviert der Vier« ) und Dinge auch »das Offene« nennen können. Dieser Spiel zwischen Welt und Dinge ist deshalb das Wesentliche der Sprache, in der das Sein sich er-eignen kann. Dieser Unterschied, den Heidegger den »Unter-schied« nennt, um die Unterbrechung anzuzeigen, ist deswegen weder Distinktion noch Relation, sondern er ist die Dimension, die die »Welt und Ding in ihr Eigenes er-mißt«.28 Welt und Ding sind weder eine identische Realität noch ist ihre Verbindung das, was in dem zweiten Augenblick kommt, sondern sie gehören zu einer Vereinigung, deren Vermittlung das obengenannte Zwischen ist. Eine so verstandene Bestimmung des Unterschiedes erinnert aber an den Begriff der »ontologischen Differenz«, den Heidegger sowohl im Vom Wesen des Grundes als auch in den dreißiger Jahren schon entwickelt hatte: das Sein ist die Lichtung (jetzt: Nähe), in der die Seienden offensichtlich werden; oder nach der Auslegung Otto Pöggelers:

Das Sein ist die Offenheit der Seienden […]. Wird ein Seiendes als Seiendes genommen, dann entsteht in ihm ein Riß: sein verschlossenes Insichruhen wird aufgerissen, das Seiende von sich selbst unterschieden. Der Riß reißt den Unterschied zwischen Sein und Seiendem auf; er erbringt jenes Zwischen, durch das hindurch das Seiende ankommt in der Offenheit des Seins.29

Das Wort »Riß« überrascht uns nicht, weil wir es in dem letzten Beitrag, der sich im Unterwegs zur Sprache findet und das dem ganzen Buch den Titel gibt, schon gefunden haben. Dort hat Heidegger das Wort »Aufriß« benutzt, um die namlose Einheit des Sprachwesens zu benennen. Sehr viele Wörter kehren deshalb innerhalb des Nachdenkens Heideggers wieder, wo sie manchmal ihre Bedeutungen verändern; gleichzeitig gibt es auch viele Beziehungen zu andere Autoren: sowohl Aristoteles und Wilhelm von Humboldt als auch Platon und Friedrich Hölderlin, um den Begriff des Weltgeviertes zu erörtern. Im Gorgias (508 ca.) entwickelt Platon eine Auffassung, in der der harmonische kosmos zuerst als Maßstab für das Leben des Menschen bestimmt wird; darüber dachte Platon, dass die Welt die Ordnung als das Zusammen von Himmel und Erde, Göttern und Menschen war. Wir wissen, dass es auch bei Heidegger solche Auslegung gibt: die Erde wie der Himmel, die Sterblichen wie die Göttlichen, sind niemals für sich allein, sondern nur zusammen mit den anderen, deren einfache Einheit in dem Weltspiel ans Licht kommt. Trotzdem entfernt sich Heidegger vom platonischen Ansatz, während der Auslegung des Wortes »Welt«, das nach seiner Auslegung weder der theologisch Begriff »mundus« noch das griechische Wort kosmos, das die Totalität aller An-wesenden meint, ist.

Vielleicht ist Heidegger, durch die »mythischen Welterfahrung« Friedrich Hölderlins, zu dieser Grundanschauung gekommen, wie Pöggeler gesagt hat. Trotzdem denken wir, dass eine andere Gestalt einen wichtigen Einfluß auf Heidegger ausüben hätte können: Empedokles, dessen Kosmologie sehr viele Inhalte bietet, die Hölderlin durch einen tragischen Schlüssel zurückerobert hat. Das ist aber nicht das Ziel unserer Forschung. Was das Geviert betrifft, im Vorträge und Aufsatze findet sich eine bedeutende Beschreibung: die Erde ist »die bauend Tragende, die nährende Fruchtende, hegend Gewässer und Gestein, Gewächs und Getier«, während der Himmel »der Sonnengang, der Mondlauf […], Licht und Dämmerung des Tages, Dunkel und Helle der Nacht« ist; die Göttlichen »sind die winkenden Boten der Gottheit. Aus dem verborgenen Walten dieser erscheint der Gott in seinem Wesen, das ihn jedem Vergleich mit dem Anwesenden entzieht«, und die Sterblichen »sind die Menschen«, die die Sterblichen heißen, insofern sie sterben können, wo »sterben« eigentlich »den Tod als Tod zu vermögen« bedeutet. Durch solche weitere Erklärungen des Begriffes des Geviertes, der eine bedeutungsvolle Rolle innerhalb der Vorträge über die Sprache spielt, können wir jetzt über das Binom »Wort-Ding«, das wir zuvor mit dem Binom »Welt-Dinge« verbindet haben, zurück kommen.

Das »Wort-Ding« Verhältnis wurde in einem Vortrag, der Das Wort heißt, und im Mai 1958 gehalten wurde, verhandelt. Dieser Vortrag stellt zwar einen kurzen Beitrag dar, ist aber unsere Meinung nach zugleich reicher an Zeichen, als die anderen Vorträge des Buches Unterwegs zur Sprache. Heidegger fängt seinen Beitrag durch einen Bezug auf die Elegie, die Brod und Wein heisst und von Hölderlin geschrieben wurde, an; gleichzeitig erinnert dieser Anfang an das Verhältnis, das durch das Sagen zwischen Göttern und Menschen scheint. Deshalb beobachtet Heidegger zuerst, dass nun das Wort seinen ursprünglichen Wert verloren hat, nämlich jene Bedeutung, die Heidegger im Humanismusbrief schon erklärt hatte, während der Erörterung eines Fragmentes (Vgl. 119) von Heraklit, »ethos anthropo daimon«, das mit »der Mensch wohnt, insofern er Mensch ist, in der Nähe Gottes« übersetzt wurde. Heidegger erkundet demnach das Gedicht Stefan Georges, das das Wort heisst und das mit einem bedeutungsvollen Satz endet: »Kein ding sei wo das Wort gebricht«, das Heidegger in Bezug sowohl auf die anderen Gedichte von George als auch auf die Ergebnisse des Briefes Über den Humanismus, entwickelt hat. Die Bedeutung dieses Satzes scheint, dass das Wort das Sein dem Ding gibt: deswegen fragt Heidegger, was das Wort ist, dass es solche Möglichkeit dem Ding verleihen kann? Um diese Frage zu beantworten, muss man das ganze Gedicht lesen und seine Eigenschaften bemerken. Das Gedicht besteht aus sieben Strophen, die in zweimal drei Strophen gegliedert sind; solche zwei Triaden erzählen die Reisen des Dichters, doch mit dem Unterschied, dass die erste Triade die glückliche Reisen, die der Dichter als Herr seines Sagens gemacht hat, erzählt; die zweite erzählt eine einzige Reise, die ganz anders im Vergleich zu den anderen ist und das dem Dichter eine seltsame Erfahrung anbietet: die Erfahrung des Verzichtes.

Er dichtet aus dem Bedürfnis auf die Namen und das Land, das er erreicht, liegt trotzdem am Rande des Raumes, das der Dichter als seinen Raum erwägen kann, weil er dort die Namen finden kann, ohne anderswo umherzuziehen. Woher kommt aber dieses Erfordernis, die Namen zu finden? Und dann: was bedeutet diese Erfahrung des Verzichtes? Die Namen sind notwendig, um die Dinge, die der Dichter als etwas wirkliches denkt, darzustellen, weil die Namen eigentlich die darstellenden Worte sind; deshalb begründen sie ihre Herrschaft über die Dinge durch die Fähigkeit der Darstellung. Diese Herrschaft, die der Dichter durch ihre Sagen ausübt, scheint demnach in Bezug auf die Möglichkeit, die geeigneten Namen für die Darstellung der Dinge zu finden. Trotzdem machte der Dichter »einst« eine ganze neue Erfahrung: die graue Norn, die alte Schicksalsgöttin, die aus dem Brunnen die richtigen Namen heraufholt, findet kein Name, um das »reiche und zarte« Kleinod, das der Dichter auf der Hand trägt, darzustellen. Dies ist die Erfahrung des Verzichtes, die er erproben muss, obwohl sie jedoch ein Sagen enthält: verzichten bedeutet deshalb weder bloße Absage an das Sagen noch bloßes Verstummen, sondern sagt Heidegger: »als Sichversagen bleibt der Verzicht ein Sagen. So wahrt er das Verhältnis zum Wort«.30 Der Verzicht ist deswegen eine andere Art des Sagens, jene der Wandlung des Sagens in den fast verborgenen Widerklang einer unsäglichen Sage. Diese ist aber eigentlich die Erfahrung, die Heidegger selbst im Aus einem Gespräch von der Sprache gemacht hat. In diesem Gespräch spricht Heidegger mit einem asiatischen Gesprächpartner und sie hören die Sprache, die ihre Wesen als das Sagen, das der Mensch ruft, weil es er braucht, enthüllt.

Das Verhältnis mit der Sprache ist demnach ein Gespräch in dem Sinne, dass das Hören ein wesentlicher Moment des Sprechens und nicht nur ergänzend ist: man hört nicht nur während der schweigsamen Phasen eines Gespräches, sondern wir können wirklich sprechen, weil wir stets im Hören auf die Sprache sind. Damit fängt die ganze hermeneutische Überlegung Heideggers an: Hermes war der Bote der Götter, sowie der Mensch der Bote des Sagens, das er braucht, um zum Wort durch die anfängliche Wirkung des Ereignisses zu gelangen, ist. Deshalb bringt Heidegger vor: »überall spielt das verhüllte Verhältnis von Botschaft und Botengang«.31 Also unterstreicht der Philosoph aus Messkirch, dass der Verzicht selbst eine Art des Sagens ist, mehr als das bloße Sprechen, damit wird der Ursprung dieses Wortes erkundet: »Verzichten ist kein Aussagen, aber vielleicht doch auch ein Sagen. Verzicht gehört zum Zeitwort verziehen. Ziehen, zichten, ist das selbe Wort wie zeigen«,32 das heißt: sehen lassen, in dem Sinne des alten deutschen Wortes, das sich in einem Gedicht ohne Titel von George als das einzige Blockschrift Wort findet: sagan (sagen). In diesem Fall ist deshalb der Verzicht eine Art des Sagens, die die höchste Gewalt des Wortes gekannt hat. Somit ist das Wort kein Zettel, der wir den Dingen geben können, sondern die Weise selbst der Realität der Dinge.

Die graue Norn kennt nicht das Wort (»so schläft hier nichts auf tiefem Grund«), um das Kleinod des Dichters darzustellen, damit es verschwindet; der Dichter sagt demnach: »Worauf es meiner hand entrann und nie mein land den schatz gewonn…«. Die Herkunft des Kleinods bleibt dunkel, obwohl seine Qualitäten bekannt sind: es ist »reich und zart«, wo Reichtum der Wesensreichtum des Wortes, insofern es in dem Sagen (d.h. im Zeigen) das Ding als Ding zum Scheinen bringt, bedeutet; gleichzeitig bedeutet »zart«: erfreuend, schonend, vertraut, weil es in der Nähe vom Dichter ist, obwohl stets ganz fern von ihm. Deswegen verstehen wir, dass solches Kleinod das verborgene Wesen des Wortes, das sagend das Ding als Ding uns darreicht, ist! Deshalb hat die graue Norn kein Wort, genauso wie der japanische Gesprächpartner Heideggers im Aus einem Gespräch von der Sprache, um das Wesen der Sprache zu »bestimmen«; damit bleibt das Kleinod, nämlich das Wesen der Sprache, jenes »das zu Denkende«, das wir aus dem Gedicht hören sollten. Sich das Denkwürdige sagen lassen, heißt jedoch: Denken, weil indem wir das Gedicht hören, denken wir dem Dichten nach. Wir finden deswegen das Binom, das schon im Humanismusbrief sich findet und das die Überlegung Heideggers über die Sprache charakterisiert. Trotzdem gibt es auch, wie in dem obengenannten 1947 erschienenen Brief, ein anderes Leitmotiv: das Sein ist etwas einfach, damit es immer dunkel bleibt; der Mensch kann es nicht ergreifen, obwohl er in der Nachbarschaft zu ihm ist (besser gesagt: wie das Kleinod, das auf der Hand des Dichters liegt, obwohl es jeder Bestimmung immer entgeht). Der Mensch ist nicht der Herr des Seienden (Humanismusbrief) genauso wie der Dichter der Herr seines Sagens, wegen des Verzichtes, nicht mehr ist (Unterwegs zur Sprache: »Und nie mein land den schutz gewann…« ), sondern er ist der Hirt des Seins, dessen Nachbarschaft zum Mensch wesentlich als die Sprache scheint. Wie wir schon betont haben, sagt man deswegen im obengenannten Brief Über den Humanismus, dass das Sein als das Geschick des Denkens, das in sich geschichtlich ist, scheint, damit diese Geschichte schon in dem Sagen der wesentlichen Denker, die immer »das Selbe« sagen, zur Sprache kommt. Deshalb gehören die Bestimmungen der Sprache als phonetischer Ausdruck und des Menschen als »animal rationale«, zur Tradition der Metaphysik: die beide Definitionen sind verbunden, und sie stellen eine falsche (d.h. metaphysische, un-wesentliche) Auslegung des Seins vor. Deswegen muss man die Sprache in Bezug auf das Sein, dessen Entdeckung die Aufgabe des heutigen Menschen bleibt, wieder denken: wir sollten deshalb das Verhältnis zwischen dem Sage und dem Sein durch eine Überlegung, die noch heute am Anfang ist, herholen; solche Verpflichtung findet aber einen wichtigen Antrieb in der Philosophie Martin Heideggers, die die Anstrengung einer begrifflichen Erneuerung des abendländischen Denkens enthält. Am Ende des Sein und Zeit schrieb deswegen Heidegger, dass wir den Streit bezüglich der Interpretation des Seins nicht entscheiden können, weil »er noch nicht einmal entfacht ist«; diese Lösung braucht eine beschwerliche Zurüstung, nach der die Untersuchung, die im Sein und Zeit anfängt, unterwegs ist; trotzdem bringt Heidegger im Humanismusbrief vor: »Bleiben wir auch in den kommenden Tagen auf dem Weg als Wanderer in die Nachbarschaft des Seins«.33

Il presente saggio fu originariamente redatto nell’estate del 2001 durante un soggiorno di studio presso la Eberhard-Karls-Universität di Tübingen am Neckar, nella cornice di un Hauptseminar tenuto dal Prof. Dr. Günter Figal. Qui ne viene presentata una versione integrale, sensibilmente riveduta sul piano formale.


  1. Vgl. Figal, G., Heidegger zur Einführung, 3. Auflage, Hamburg: Junius Verlag, 1999; S. 7. ↩︎

  2. Vgl. Pöggeler, O., Der Denkweg Martin Heideggers, 4. Auflage, Stuttgart: Verlag Neske, 1994; S. 135. ↩︎

  3. Freiburg im November 1935 und Zürich im Januar 1936 sowie als Frankfurt im Winter 1936. ↩︎

  4. Vgl. Heidegger, M., Über den Humanismus (HB), 10. Auflage, Frankfurt am Main: Verlag Klostermann, 2000; S. 5. ↩︎

  5. Vgl. Heidegger, M., HB; S. 23. ↩︎

  6. Ibidem↩︎

  7. Vgl. Heidegger, M. Unterwegs zur Sprache (US), 12. Auflage, Stuttgart: Verlag Neske, 2001; S. 12. ↩︎

  8. Ibidem; Kursiv von uns. ↩︎

  9. Dieser Text ist noch nicht im Kontext der Gesamtausgabe eingesetzt worden. ↩︎

  10. Vgl. Heidegger, M., Identität und Differenz (ID), 11. Auflage, Stuttgart: Verlag Neske, 2001; S. 27. ↩︎

  11. Ibidem, S. 28. Kursiv von uns. ↩︎

  12. Vgl. auch Heidegger, M., ID; S. 25. ↩︎

  13. Vgl. Figal, G., Heidegger zur Einführung, Zit.; S. 11. ↩︎

  14. Vgl. Heidegger, M., HB; S. 46. ↩︎

  15. Ibidem, S. 56. ↩︎

  16. Ibidem, S. 55; Kursiv von uns. ↩︎

  17. Vgl. Heidegger, M., HB; S. 36. ↩︎

  18. Vgl. Heidegger, M., US; S. 16. ↩︎

  19. Ibidem, S. 184; Kursiv von uns. ↩︎

  20. Vgl. Heidegger, M., US; S. 268. ↩︎

  21. Kursiv von uns. ↩︎

  22. Vgl. Heidegger, M., US; S. 185. ↩︎

  23. Ibidem, S. 22; Kursiv von uns. ↩︎

  24. Vgl. Pöggeler, O., Der Denkweg, Zit.; S. 249. ↩︎

  25. Vgl. Heidegger, M., US; S. 37. ↩︎

  26. Ibidem↩︎

  27. Vgl. Heidegger, M., US; S. 21 ↩︎

  28. Ibidem, S. 25 ↩︎

  29. Vgl. Pöggeler, O., Der Denkweg, Zit.,; S. 249. Der Satz von Pöggeler geht aber weiter: »Für diese Offenheit ist das Denken, das Seiendes als Seiendes nimmt, gebraucht. Das zwischen läßt das Sein erst Sein des Seienden sein; es ist das, was im Sein als dessen »Grund« und Wahrheit west. Heidegger fragt, wie eigentlich dieses Zwischen, die Wahrheit des Seins, west. So erfährt er sie als das Zugleich von Entbergen und Verbergen, als das Ereignis der Unverborgenheit«; Kursiv von uns. ↩︎

  30. Vgl. Heidegger, M., US; S. 228. ↩︎

  31. Ibidem, S. 153. ↩︎

  32. Ibidem, S. 222. ↩︎

  33. Vgl. Heidegger, M., HB, S. 36; Kursiv von uns. ↩︎